Streit über Kosten für Notarzteinsatz in Kassel – Mann soll mehrere hundert Euro zahlen
Ein Mann aus Kassel soll mehr als 500 Euro für eine Notarzt-Untersuchung nach einem Brand in seinem Wohnhaus zahlen. Nun wehrt er sich.
Kassel - Stephan Becker hat große Hochachtung vor der Arbeit der Rettungskräfte. Daher hat der 63-Jährige aus der Unterneustadt in Kassel gezögert, sich mit seinem Ärger über eine Abrechnung vom Regionalverband Kassel-Nordhessen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) an die Öffentlichkeit zu wenden.
Becker soll 568 Euro für eine notärztliche Untersuchung nach einem Brand in seinem Wohnhaus an der Arndtstraße zahlen, obwohl er das Feuer nicht verursacht hat und neben ihm zwölf weitere Bewohner untersucht worden waren – für die aber keine Abrechnung stattfand. Weil Becker als Privatpatient eine hohe jährliche Selbstbeteiligung hat, muss er die Kosten komplett selber tragen.
Streit über Kosten für Notarzteinsatz nach Wohnhausbrand in Kassel
Am 25. Januar war es gegen 7 Uhr zu dem Brand in dem Acht-Familien-Haus gekommen, das Beckers Frau gehört. Eine Mieterin hatte, bevor sie zur Arbeit aufbrach, offenbar den Herd angelassen und so das Feuer ausgelöst. Nach Auskunft der Polizei steht die Brandursache nicht hundertprozentig fest, aber die Mieterin habe den Brand in ihrer Wohnung weder vorsätzlich noch fahrlässig ausgelöst, so ein Sprecher. Deshalb gebe es keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen sie.

Dennoch hat die Angelegenheit ein Nachspiel: für Stephan Becker. Bei dem Brand waren Feuerwehr, Polizei und Rettungswagen vor Ort. Wegen der Rauchentwicklung wurden alle 13 anwesenden Hausbewohner – darunter drei Kinder – auf eine mögliche Rauchgasvergiftung untersucht.
Auch Stephan Becker wurde im ASB-Rettungswagen getestet. „Die Rettungskräfte haben sich gut gekümmert. Die drei Kinder wurden mit Plüschtieren und Decken versorgt“, so der 63-Jährige. Niemand habe bei der Gelegenheit seine Krankenversichertenkarte oder Ähnliches vorlegen müssen.
„Ich fühlte mich wohl“: Mann soll nach Brand nochmals untersucht werden
Nach seiner Untersuchung im ASB-Wagen, die nach seiner Aussage nicht auffällig war, brach Becker zu einer Runde mit seinem Hund auf. „Ich fühlte mich wohl“, erzählt er. Er habe zwar kurz an der Tür der Brandwohnung gestanden, aber kein Rauchgas eingeatmet.

Als er wieder zum Haus zurückkam, habe ihn ein ASB-Mitarbeiter nochmals in den Rettungswagen gerufen. „Er sagte, ich müsste nochmals untersucht werden. Ich hatte in keinem Fall darum gebeten, denn mir ging es ja gut“, sagt Becker. Bei der Gelegenheit sei unter anderem sein Blutdruck gemessen worden. Er durfte den Rettungswagen schließlich wieder verlassen.
Ende Februar lag Post vom ASB im Briefkasten. Eine Rechnung über die 568 Euro. Aufgelistet sind das Notarzteinsatzfahrzeug für 220 Euro, eine Notarzt-Vorhaltepauschale von 229 Euro, eine Notarzt-Einsatzpauschale von 50 Euro und eine Leitstellenvermittlungsgebühr von 69,95 Euro. Becker glaubte zunächst an ein Missverständnis. Schließlich hatte er als einziger Bewohner eine Rechnung erhalten.
Streit über Kosten für Notarzteinsatz in Kassel - Nur ein Hausbewohner bekommt Rechnung nach Brand
Seine Frau, die ebenfalls Privatpatientin ist und die auch auf eine Rauchvergiftung getestet wurde, erhielt keine Post vom ASB. Die Mieter im Haus, die gesetzlich versichert sind, mussten für ihre Untersuchungen im ASB-Wagen keine Krankenkassenkarten vorlegen. Also erkundigte sich Becker beim ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes der Feuerwehr Kassel und beim ASB, ob die Rechnung korrekt gestellt worden sei. Dies wurde von beiden Seiten bejaht.
Das sagt der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB)
Der ASB Regionalverband Kassel-Nordhessen verteidigt die Rechnungsstellung. Herr Becker sei der einzige Patient gewesen, der nicht nur mittels CO2-Messung gesichtet worden sei, sondern bei dem eine darüber hinausgehende notärztliche und abrechenbare Leistung stattgefunden habe, so Judith Ehret, Geschäftsführerin des ASB Kassel-Nordhessen. Grundsätzlich fielen die vollständigen Pauschalen pro Behandlungsfall an, unabhängig davon, wie viele Personen in einem Notarzteinsatzfahrzeug behandelt würden. Zeitumfang oder Intensität der Behandlung spielten keine Rolle. Die Höhen der Pauschalen seien im Hessischen Rettungsdienstgesetz festgesetzt. Es obliege dem Notarzt, zu entscheiden, wessen Behandlung abgerechnet werde. Im konkreten Fall sei der Notarzt kein Mitarbeiter des ASB gewesen, sondern eines Krankenhauses. Die Abrechnung übernehme aber der ASB, der auch das Fahrzeug gestellt habe. Bei einer gleichartigen Behandlung aller 13 Hausbewohner wären die Pauschalen 13 Mal angefallen, so Ehret.
Er müsse für die ambulante notärztliche Leistung aufkommen. Die Gebührenordnung sei mit den Krankenkassen abgestimmt. Möglicherweise könne die Brandverursacherin für die Kosten herangezogen werden – vermutlich aber nur, wenn diese vorsätzlich gehandelt habe.
Streit über Kosten für Notarzteinsatz in Kassel: „Jemanden gesucht, der die Kosten für den Einsatz trägt“
Den Schaden am Haus hat zunächst die Gebäudeversicherung von Beckers Frau übernommen. Diese wiederum hole sich das Geld von der Haftpflichtversicherung der Mieterin zurück. Eine Übernahme der Notarztkosten lehnt diese aber ab.
Das sagt die Stadt Kassel
„Notarzteinsätze sind beim Tätigwerden des Notarztes immer abrechenbar, auch wenn kein Transport des Patienten in eine Versorgungseinrichtung stattfindet“, so ein Stadtsprecher. Die Kosten würden von den gesetzlichen Krankenversicherungen, Unfallversicherungen oder privaten Krankenkassen getragen. Privatversicherte müssten die Kosten auch dann tragen, wenn es sich nicht um selbst verschuldete Einsätze handele. Für den Rettungsdienst spiele die Schuldfrage bei der Abrechnung keine Rolle. Eine Weitergabe der Kosten müsse der Patient juristisch prüfen.
Becker lässt die Sache keine Ruhe: „Ich fühle mich, als sei ich in eine Falle gelockt worden. Die haben jemanden gesucht, der die Kosten für den Einsatz trägt.“ Er sei auch bereit, einen Anteil an den Notarztkosten zu tragen, aber nicht die ganze Summe. (Bastian Ludwig)
Ein Brand brach kürzlich im Salzmann-Gebäude in Kassel aus. Die Löscharbeiten der Feuerwehr wurden durch Sperrmüll erschwert.