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Unterstützung für wohnungslose Frauen: Projekt „4 Wände“ der Sozialen Hilfe Kassel bietet ein Zuhause

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Von: Evelina Kern

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Gemeinsame Zeit: Die Sozialpädagoginnen Anja Schreiter (hinten von links) und Svenja Lecke spielen ein Gesellschaftsspiel mit einer Praktikantin (vorne von links) und der ehemaligen Bewohnerin Miriam Weber.
Gemeinsame Zeit: Die Sozialpädagoginnen Anja Schreiter (hinten von links) und Svenja Lecke spielen ein Gesellschaftsspiel mit einer Praktikantin (vorne von links) und der ehemaligen Bewohnerin Miriam Weber. © EVELINA KERN

Das Projekt „4 Wände“ greift wohnungslosen Frauen in schweren Lagen unter die Arme. Dort erhalten sie auch nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch weitere emotionale Unterstützung. Das stationäre Wohnangebot in Kassel ist eines der wenigen in Deutschland.

Kassel – Vor drei Jahren wusste Miriam Weber (Name von der Redaktion geändert) nicht mehr weiter. Ohne Wohnung stand sie am Anfang ihres Lebensweges und wusste nicht, in welche Richtung es gehen sollte. „Irgendwann habe ich auch noch herausgefunden, dass ich schwanger war“, erzählt die heute 24-Jährige. Beladen mit der Verantwortung für zwei Leben musste sich die Heranwachsende in der Welt zurechtfinden.

In ihrer schweren Zeit wandte sie sich an die Soziale Hilfe Kassel. Zwei Jahre lang nannte sie fortan das Wohnheim „4 Wände – Wohnen für Frauen “ ihr Zuhause. Damit ist die junge Frau eine von vielen, meist 18 bis 25–jährigen Frauen, die aufgrund von Wohnungslosigkeit Hilfe beim Projekt der Sozialen Hilfe Kassel suchen. Obwohl sie nicht gerade rosigen Grundbedingungen gegenüberstand, schaffte es Miriam Weber dort, ihre Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau erfolgreich zu meistern. Nicht zuletzt wegen des Rückhalts, den sie im Wohnheim erhielt.

Denn Lebensumstände wie diese sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung „4 Wände“ nicht fremd. Zahlreichen Frauen wie Miriam Weber konnten sie seit 1991 schon in verschiedenen Lebensphasen helfen. „Wir verstehen uns als eine Art Brücke für unsere Klientinnen“, beschreibt Sozialpädagogin Anja Schreiter. Dieser Rückhalt solle Frauen in schwierigen Situationen auffangen und ihnen bei der Bewältigung ihres Alltags unter die Arme greifen. Dabei sei ganz gleich, ob die Frauen aus einer Mutter-Kind-Einrichtung, einer Klinik, einer Psychiatrie, einer Haft oder einer ungesunden Partnerschaft in das Projekt kommen – „Ziel ist es, dass wir ihnen helfen, möglichst bald wieder eigenständig auf den Beinen zu stehen“, so die Sozialarbeiterin. Frauen, die ihre Wohnung verloren haben, können das Hilfs- und Betreuungsangebot nutzen, um sich zu orientieren und wieder im Alltag anzukommen.

Mit sechs Plätzen im Wohnheim und drei ambulanten Plätzen zur Nachbetreuung erhalten die Frauen hier die akute Hilfe, die sie benötigen. Meist bewohnen sie ihren Rückzugsort im Wohnheim mit geheimer Adresse etwa sechs Monate. „Zwischen einem Aufenthalt von drei Tagen und zwei Jahren war aber schon alles dabei“, erzählt Schreiter. Doch auch dieser Verbleib wird begleitet von Regeln, zu denen sich die Frauen verpflichten. „Wir nehmen die Frauen nur auf, wenn sie keine Drogen nehmen“, betont sie.

Denn nur mit der aktiven Mitarbeit der Frauen können die zwei Mitarbeiterinnen des Projekts – eine in Vollzeit, die andere in Teilzeit – Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Die Assistenz werde dabei individuell mit den Frauen abgestimmt. „Je nach Bedarf gehen wir dann mit zu Terminen bei Ämtern, Ärzten oder Therapeuten“, so Schreiter. „Ich hatte große Probleme bei diesen Gängen, wenn die Ansprechpartner männlich waren“, bestätigt Miriam Weber. Auch diesen Berührungsängsten habe sie in der Zeit dort und mit der Begleitung der Sozialarbeiterinnen den Kampf angesagt.

Trotzdem macht sich der Mangel an Therapieplätzen aber auch hier bemerkbar und verhindert womöglich noch größere Fortschritte der Frauen. „Denn Diagnose-frei ist hier so gut wie niemand“, sagt Schreiter. Schließlich haben fast alle der Bewohnerinnen des Wohnheims im Laufe ihres Lebens massive Gewalt erfahren.

Dennoch sind es meist Männer, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind. So lauten zumindest die Erfahrungswerte, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Laufe ihrer Arbeit sammeln. Deshalb halten sich aber auch die Hilfsangebote speziell für wohnungslose Frauen in Grenzen. „Bis nach Gießen sind wir in der Form leider das einzige Angebot für Frauen“, erzählt die Sozialpädagogin.

„Viele Frauen, die zu uns kommen, kennen ihre eigenen Grenzen nicht und können sie dann auch nicht kommunizieren“, sagt Schreiter. In den 4 Wänden lernen sie mitunter das richtige Verhalten bei verschiedenen Behörden oder Gesundheitseinrichtungen. „Dadurch steigern sie meist auch ihr Selbstbewusstsein“, erklärt die Pädagogin. Die junge Sport- und Fitnesskauffrau bejaht das klar.

„Für mich war es hier die schönste Zeit“, erklärt sie. Während ihrer Schwangerschaft hätten sie die Sozialarbeiterinnen und auch die anderen Bewohnerinnen des Wohnheims warmherzig unterstützt. Und auch danach wäre ihr Kind liebevoll aufgenommen worden. „Meine Kleine ist sehr kontaktfreudig. Es war schön, dass wir dort genug Platz hatten und sie auch im Garten des Hauses spielen konnte“, sagt die junge Mutter.

Der schöne Ort vor dem Haus des Wohnheims, in dem Miriams Kind die ersten Lebensmonate verbringen durfte, konnte mithilfe von Spendengeldern geschaffen werden. Die dabei entstandene Terrasse und Küche sind auch das Zentrum schöner Aktivitäten der Bewohnerinnen und Sozialarbeiterinnen. „Beim Grillen oder Backen erfährt man oft ganz beiläufig sehr wichtige Dinge für die Hilfe.“

Durch Spendengelder können manchmal sogar gemeinsame Reisen realisiert werden. So ging es im Jahr 2019 für die Bewohnerinnen ans Meer. Auch Miriam Weber hat die Auszeit dort sehr genossen. „Es war wie ein Pendant zum Alltag.“

Service: Weitere Informationen zu dem Projekt der Sozialen Hilfe Kassel und Spenden unter: zu.hna.de/3JpHfDp

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