Valentinstag: Kasseler tauschten Liebes-Postkarten in Geheimschrift aus

Paul Heidelbach hat vor rund 120 Jahren seiner Geliebten Briefe in Geheimschrift geschickt, weil ihr Vater gegen die Beziehung war. Es gab aber ein Happy End.
Kassel – Den Valentinstag gab es damals in Deutschland noch nicht. Der wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch US-Soldaten auch bei uns mehr und mehr zu einem Begriff. Trotzdem passt diese Geschichte, die vor gut 120 Jahren in Kassel spielte, gut zu dem Gedenktag für die Liebe.
Denn der junge Paul Heidelbach (1870 bis 1954) und die Fotografentochter Änne Leonhardt waren heiß und innig ineinander verliebt. Sie hätten sich aber eigentlich gar nicht treffen sollen. Ännes Vater Georg Friedrich Leonhardt hat das klipp und klar so gesagt. Denn der damals mit einem eigenen Fotostudio in Kassel bekannte und auch ziemlich erfolgreiche Fotograf wollte keinen armen Schlucker als Schwiegersohn.
Genau das war aus der Sicht des Vaters aber der junge Verehrer seiner Tochter. Heidelbach, der spätere Schriftsteller, Mundartdichter, Stadtarchivar und Verfasser historischer Texte – unter anderem über die Wilhelmshöhe –, war damals gerade aus Marburg zurück in seine Heimatstadt gekommen. Ein Studium ohne Abschluss schien nicht gerade die beste Voraussetzung für eine gut dotierte berufliche Laufbahn zu sein.

Deshalb sollte Änne, eine von vier Leonhardt-Töchtern, ihren Paul am besten gar nicht mehr sehen. Doch die junge Liebe fand Mittel und Wege. So schrieb Paul Heidelbach seiner Freundin selbst gestaltete und bemalte Postkarten mit geheimen Botschaften. Die sollten weder die Eltern von Änne noch der Briefträger lesen können.
Deshalb verwendete er eine einfache, aber effektive Verschlüsselung. Im Nachlass von Paul Heidelbach, den sein Enkel Ulrich Helbing zusammen mit dem Kasseler Verleger Hartwig Bambey betreut, finden sich mehrere dieser Postkarten.
Der junge Heidelbach habe einfach das Alphabet um einen Buchstaben verschoben, sagt Hartwig Bambey. Aus A wurde B, aus einem F ein G und so weiter. Aus einem auf den ersten Blick völlig unleserlichen Text konnte Änne Leonhardt dann entnehmen, dass sie zu einem bestimmten Termin am vereinbarten Treffpunkt sein sollte. „Und vergiss ja den Schlüssel nicht“, steht da. Wozu der gehörte, ist nicht überliefert. Möglicherweise zu einem Garten- oder Sommerhaus der Familie, das das Paar heimlich aufsuchte.

Die Liebe von Paul und seiner Änne blieb nicht ohne Folgen. Dem strengen Vater wollte die Tochter zunächst nicht beichten, dass sie schwanger war. Sie verreiste für mehrere Monate zu ihrer ältesten Schwester, die mit ihrem Mann in England lebte.
Dort brachte sie ihre Tochter zur Welt und stellte bei der Rückkehr ihre Eltern vor vollendete Tatsachen. Die waren wohl alles andere als begeistert, arrangierten sich aber sowohl mit dem Schwiegersohn als auch mit dem Kind. Der Fotograf Georg Friedrich Leonhardt hatte schon vorher Familienmitglieder bei seinen Aufnahmen in Kassel als Statisten arrangiert. Jetzt kam auch Tochter Änne mit dem Kinderwagen dazu. Mit Paul Heidelbach hatte sie übrigens eine lange und wohl auch glückliche Ehe. Ohne die geheimen Postkartenbotschaften wäre das kaum möglich gewesen.
Buchtipp: Paul Heidelbach, mit Originaltexten und zahlreichen Fotos, Sternbald Verlag. Erhältlich im Buchhandel, 12 Euro.