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Närrische Stavo in Kassel: Vereint in den Spitzen gegen Baunatal

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Von: Florian Hagemann

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Gute Laune: Ursula Bouffier (von links), Prinz Benno I. und Ihre Lieblichkeit Prinzessin Andrea, die Volker Bouffier, dem Ministerpräsidenten a.D., den Orden „in joco veritas“ überreicht.
Gute Laune: Ursula Bouffier (von links), Prinz Benno I. und Ihre Lieblichkeit Prinzessin Andrea, die Volker Bouffier, dem Ministerpräsidenten a.D., den Orden „in joco veritas“ überreicht. © Dieter Schachtschneider

Nach der Coronapause tagte auch mal wieder die närrische Stadtverordnetenversammlung in Kassel. Die höchste Auszeichnung der Karnevalisten bekam dabei Volker Bouffier, Ministerpräsident a.D.

Kassel – Die Narren sind los, und natürlich machen sie auch nicht vor der Politik halt. Seit dem Wochenende steht das Rathaus im Zeichen des Karnevals – närrische Stadtverordnetensitzung inklusive. Elf Erkenntnisse nach der vierstündigen Veranstaltung am Sonntagabend.

1.Narren bleiben über der Gürtellinie: Wer weiß, ob es in Zeiten des Wahlkampfs Anzeichen gegeben hat, dass es anders kommen könnte. Zumindest wies Lars Reiße, der Präsident der Gemeinschaft Kasseler Karnevalsgesellschaften, zu Beginn darauf hin, dass Narren verbal nie unter die Gürtellinie gehen, wenn sie in die Bütt steigen. Es lässt sich sagen: Alle haben sich daran gehalten. Helau und Alaaf.

2.Bouffier kann auch kurz: Drei Jahre hat es gedauert, bis Volker Bouffier den Orden „in joco veritas“ entgegennehmen konnte. Als die Gemeinschaft Kasseler Karnevalsgesellschaften sich dafür entscheid, Bouffier mit ihrer höchsten Auszeichnung zu versehen, war der heute 71-Jährige noch Ministerpräsident Hessens. Jetzt ist er a.D., nahm den Orden aber trotzdem gern an. Ihn hatten vor ihm auch schon seine Vorgänger Roland Koch, Hans Eichel und Holger Börner erhalten. Lars Reiße sagte, Bouffier sei gut für Kassel gewesen und erinnerte an den Welterbe-Titel und die documenta. Und er rief den einen oder anderen Besuch Bouffiers bei Neujahrsempfängen der Stadt ins Gedächtnis. Bouffier habe stets kurz sprechen wollen und redete dann doch – sagen wir mal – etwas länger. Diesmal hielt er sich tatsächlich kurz.

3.Die Oberbürgermeisterwahl interessiert auch weit über Kassel hinaus: Volker Bouffier kam mit seiner Frau Ursula nach Kassel und machte einen sehr entspannten Eindruck. In seiner Dankesrede versicherte er, dass er die Politik nur noch von außen betrachtet. Aber als Politikrentner schaut auch er gespannt auf den OB-Wahlkampf in Kassel, wie er versicherte. Einen Tipp hatte er nicht parat, aber: „Wem das närrische Volk das Zepter geben wird, wird man sehen. Ich hoffe nur, dass alle dann auch wählen gehen.“

4.Ein Orden kommt selten allein: Nicht nur Volker Bouffier und die Büttenredner erhielten einen Orden, sondern auch Volker Zeidler – in Erinnerung an den früheren Stadtverordnetenvorsteher Günter Kestner. Für Zeidler (SPD) war dies eine besondere Ehre, denn: Kestner war einst Nachbar von ihm – und brachte ihn in die Kommunalpolitik.

5.Die SPD bleibt auch in der närrischen Zeit geteilt: Der Streit innerhalb der SPD war natürlich eine Vorlage für die Büttenredner – zumindest für jene, die nicht dem einen oder dem anderen Teil der SPD angehören. Zumal: Auch während der närrischen Stavo gab es kein Miteinander. Die Mitglieder des linken SPD-Flügels waren gar nicht erst anwesend – oder sie waren so gut verkleidet, dass sie keiner erkannt hat: etwa als Linke oder Grüne.

6.Der Karneval ist anstrengend: Das ist keine neue Erkenntnis, aber sie trifft nach der Coronapause wohl erst recht zu. Zu hören war das etwa an der Stimme von Prinzessin Andrea, die gemeinsam mit Prinz Benno I. das Hausrecht über die närrischen Tage im Rathaus hatte. So wirklich viel sagen konnte Andrea nicht mehr, ihre Stimme war schon äußerst angeschlagen. Aber sie hielt sich tapfer und zeigte Haltung während der vierstündigen Sitzung.

7.Die CDU ist Karnevalsmeister: In der normalen Stavo nur dritte Kraft hinter Grünen und SPD, blühte die CDU in der närrischen Stavo regelrecht auf. Volker Bouffier bekam einen Orden, Stadtverordnete Annette Knieling überzeugte als schwarzes Ass oder auch schwarzes Aas, und ihr Kollege Marcus Leitschuh zeigte als Fullefischer einmal mehr, wer der Oberkarnevalist unter den Kommunalpolitikern ist. Bei allen Spitzen gegen die Politkonkurrenz im Rathaus, wo mal die einen klatschten und mal die anderen: Als es gegen den Nachbarn ging, gab es am meisten Applaus: „Es gibt auch Bodenschätze, kommt mir in den Sinn, fahrt doch mal hier nach Nordhessen halt hin. Da wird nicht lange rumgeschlaggert, und Baunatal wird weggebaggert.“

8.Der OB-Wahlkampf ist auch Thema in der Bütt: Das verwundert natürlich nicht – erst recht, wenn auch OB-Kandidaten in die Bütt gehen: Violetta Bock von den Linken machte das als Rotkäppchen mit einem gewissen Augenzwinkern. Sie schloss ab mit den Worten: „Wer wird vom Volk zum OB ernannt? Schoeller? Kühne-Hörmann? Geselle? Was sagt die Prognose an dieser Stelle? Wer wird es machen? Wer wird es sein? Wer zieht ins Büro vom Geselle ein? Am 12. März dann der Schock. Schneemann Olaf sagt: Es wird die Bock.“ Da musste sie selbst schmunzeln. Oberbürgermeister Christian Geselle, der als Unabhängiger antritt, präsentierte sich zum Abschluss als Schiedsrichter, der zwar mit Gelben und Roten Karten geizte, wohl aber nicht mit dem einen oder anderen Seitenhieb – etwa auf den linken Flügel der SPD.

9.Nicht jeder OB-Kandidat steigt auch in die Bütt: Isabel Carqueville (SPD) und Stefan Käufler von der Partei waren gar nicht erst anwesend, sie sind auch nicht Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Sven Schoeller (Grüne) und Eva Kühne-Hörmann (CDU) waren zwar da, hielten sich aber zurück – und hörten eher zu, was andere über sie zu sagen hatten. Einen gemeinsamen Nenner fanden die Büttenredner aber vor allem bei Isabel Carqueville und ihrer Leidenschaft fürs Stricken.

10.Auch die FDP ist mal die stärkste Kraft: Das gilt zumindest bei Betrachtung der Kostüme. Stadtrat Timo Evans kam im Gladiator-Outfit, zu dem sein eigener Sixpack zählte. Er stach mit der Verkleidung auch Esther Kalveram aus, die sich in der Bütt als SPD-Stadtverordnete die Jamaika-Koalition vorknöpfte, entsprechend gekleidet war und fleißig Jamaika-Fähnchen verteilte.

11.Nächste Woche wird alles anders – oder doch nicht? Zumindest findet dann wieder die normale Stadtverordnetenversammlung statt. Nur Narren sagen, dass die sich von einer närrischen Stavo kaum unterscheidet. (Florian Hagemann)

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