Görtz will jede zehnte Filiale schließen: Verkäufer ahnungslos

Kassel. Es ist wie so oft, wenn es um wirtschaftliche Entscheidungen geht: Die Mitarbeiter erfahren zuletzt von geplanten Sparmaßnahmen und möglichen Schließungen, die ihre Firma betreffen. Die Schuhhauskette Görtz wird in Deutschland Filialen schließen und drastisch Stellen abbauen. Das wurde am Freitag bekannt.
Das Personal ist tags darauf noch ahnungslos: „Davon haben wir überhaupt noch nichts gehört“, sagen zwei junge Görtz-17-Verkäufer in der Filiale in der Königs-Galerie.
„Ich bin völlig perplex, davon weiß ich gar nichts“, sagt auch eine Verkäuferin von Görtz-Outlet, einer Filiale mit einem preisgünstigen Sortiment an der Wilhelmsstraße. Eine dritte Kasseler Filiale von Görtz befindet sich im Einkaufszentrum dez.
„Uns haben heute morgen überraschend die Kunden angesprochen, weil sie das in der HNA gelesen haben“, sagt die Verkäuferin des Görtz-Outlets. Sie könne sich nicht vorstellen, dass Filialen geschlossen werden. Schließlich bestehe Görtz seit über 135 Jahren. Das seit drei Jahren existierende Outlet laufe gut.
Sofort kommt eine vorgesetzte Kollegin und verweist darauf, dass Auskünfte nur die Pressestelle in Hamburg gebe. Sie holt ein eng bedrucktes Fax mit Ansprechpartnern für sämtliche Medienvertreter von Fernsehen bis Zeitung hervor. Auf die Frage, ob sie so ein Info-Blatt stets parat habe, antwortet sie: „Nein, ich habe es jetzt erst bekommen.“
Bei diesen Worten verdüstert sich das Gesicht der älteren Kollegin, die zuvor noch von ihrem Job geschwärmt hat, den sie seit über 40 Jahren ausübe. „Ach so ist das. Dann sage ich kein Wort mehr.“
Erstmals Verlust gemacht
Die Schuhhandelskette, einer der größten Einzelhändler in Europa, leidet unter dem harten Wettbewerb. Im vergangenen Jahr hat Görtz erstmals einen Verlust in niedriger zweistelliger Millionenhöhe verzeichnet. 2012 droht ein weiteres Verlustjahr.
Ein Sparprogramm soll die Kette nun zurück in die Gewinnzone führen. Deshalb sei geplant, 30 der 260 Filialen zu schließen. Außerdem sollen 100 der 250 Mitarbeiter in der Hamburger Zentrale entlassen werden. Mit dem Betriebsrat werde über ein Sozialplan verhandelt. Görtz beschäftigt insgesamt 4000 Mitarbeiter, davon sind 60 Prozent Teilzeitkräfte. Welche Filialen es trifft, ist derzeit noch unklar. Geschlossen werden sechs Läden in Polen, und das Konzept von „Görtz 17“ soll überarbeitet werden. (mit dpa)
Von Christina Hein