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Kasseler Osten: Waldau nimmt richtig Fahrt auf

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Von: Andreas Hermann

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Skater-Anlage im Wahlebach-Grünzug
Wird bereits gut angenommen: Die neue kurvige Skater-Anlage im Wahlebach-Grünzug, den die Stadt Kassel derzeit zum „Wahlebachpark“ umgestalten lässt. Auf der anderen Seite der Waldemar-Petersen-Straße nimmt der geplante Kinderspielplatz bereits Formen an. © Andreas Hermann

Die documenta fifteen findet auch im Kasseler Osten statt. In einer kleinen Serie beleuchten wir die vier Stadtteile östlich der Fulda, die nun in den Fokus rücken – heute: Waldau.

Kassel – Waldau wird nach den bisher bekannten Plänen kein Standort der documenta sein. Dennoch nimmt der Stadtteil gerade so richtig Fahrt auf. Zum Beispiel am Wahlebach. Der Grünzug ist eine von Fußgängern und Radfahrern gern genutzte Schnellverbindung zur Karlsaue und zum Bugasee. Aktuell wird er an einigen Stellen durch einen parkähnlichen Charakter aufgewertet. In Höhe der Waldemar-Petersen-Straße etwa wird die neue kurvige Skateranlage schon gut angenommen. Gegenüber nimmt der Kinderspielplatz spannende Formen an.

Jürgen Blutte sieht das mit großer Zufriedenheit. Es habe in Waldau nie Stillstand gegeben, sagt der 67-Jährige, der sich viele Jahre im Ortsbeirat engagierte und rund eineinhalb Jahre Kassels erster grüner Ortsvorsteher war. Das Besondere sei, dass nun mit Feuer- und Rettungswache, Polizeirevier Ost und der Offenen Schule Waldau (OSW) gleich mehrere Neubauten von überregionaler Bedeutung im Werden sind. Noch dazu die neue Kita mit Hort und Familienzentrum sowie die von der Vonovia geplante Sanierung und Erweiterung der Wohnstadt. „Das wird Waldau noch einmal einen richtigen Schub geben“, ist sich Blutte sicher.

Als er 1995 mit Familie nach Waldau zog, da hätten Freunde und Bekannte gemeint: „Wie kann man nur?“ Diese negative Sicht auf den Stadtteil, die auch mancher Waldauer teilte, konnte er nicht nachvollziehen. Blutte zählt gleich eine ganze Liste von Dingen auf, die Waldau seiner Ansicht nach lebens- und liebenswert machen: ein grüner Stadtteil mit Kleingärten, dörflichem Ortskern und guter Infrastruktur inklusive Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten und Apotheken. Viel Grün gebe es selbst zwischen den Mehrfamilienhäusern der „gewöhnungsbedürftigen, aber nicht hässlichen Wohnstadt“, sagt der Grüne.

Für den Pädagogen gab es noch einen Grund für Waldau. Er wollte, dass seine Tochter die Offene Schule besucht. Diese sei „eine für ganz Deutschland beispielgebende Bildungseinrichtung mit Schul- und Stadtteilbibliothek“, meint Blutte. Anders als andere Stadtteile verfügte Waldau damals schon über ein Konzept für Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit, das unter dem Stichwort Bildungsregion auf den gesamten Kasseler Osten erweitert worden sei. Und nicht zuletzt gebe es in Waldau ein vielfältiges Vereinsleben, das die Entenkirmes und weitere Veranstaltungen organisiert.

Waldau ist aber auch Gewerbe, Industrie und das ewige Verkehrsproblem. Das wird hier am Forstbachweg deutlich, wo der Rohbau der Polizei wächst. Die Neubauten und der dafür geplante Straßenausbau bereiten Anwohnern Sorge, dass der Verkehr noch zunehmen wird.

Gleich nebenan verläuft die Autobahn. Sie sei „Segen und Fluch zugleich“, sagt Blutte. Der Verkehr verursache Lärm und belaste die Luft im Stadtteil. Aber in dem an der Autobahn angesiedelten Industriepark verdiene die Stadt Kassel auch das Geld, „das in den westlichen Stadtteilen ausgegeben wird“.

Warum der kritische Blick auf Waldau fortbestehe, verstehe er bis heute nicht. „Einzige Erklärung vielleicht: Alteingesessene und Neuzugezogene fremdeln noch immer miteinander.“ Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen habe nicht zum „Wir“ geführt. „Man lebt eher friedlich nebeneinander statt eng miteinander.“ Blutte selbst hat seine Entscheidung nie bereut. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Waldau ist eine Heimat geworden.“

Fachwerk und Flieger

Das 1293 erstmals urkundlich erwähnte Waldau war über Jahrhunderte eine kleine dörfliche Siedlung. Der Gedanke der Eigenständigkeit prägt die Enten („de Änden), so der Spitzname für die Waldauer, bis heute. Seit 1936 ist Waldau inzwischen nach Kassel eingemeindet. Doch sagen Alteingesessene immer noch, wenn sie etwa zum Einkaufsbummel in die Königsstraße wollen, sie würden „in die Stadt“ fahren. Dabei sind sie doch bereits seit 86 Jahren ein Teil davon.

Waldau, das mit knapp 6400 Einwohnern zu den kleineren Kasseler Stadtteilen zählt, hat sich seit der Eingemeindung gewandelt. Fotos aus den 1930-er-Jahren, die der Arbeitskreis Waldauer Geschichte(n) aufbewahrt, zeigen nicht nur die historische Zehntscheune, sondern viele andere schmucke Fachwerkhäuser im Ortskern. Das Fachwerk-Ensemble von Waldau habe es damals durchaus etwa mit dem in Melsungen aufnehmen können, berichtet Jürgen Blutte, der vor 27 Jahren von der Bartenwetzerstadt nach Waldau zog.

Der Stadtteil steht heute auch für Industrie, Gewerbe, Arbeitsplätze und einen Mehrfamilienhaus-Komplex mit rund 2000 Wohnungen. Mit dem Bau der Wohnstadt nahm ab 1963 die Einwohnerzahl von Waldau rasch zu. Auf der Fläche des Flugplatzes, auf der bis 1970 rund fünf Jahrzehnte Kasseler Fluggeschichte geschrieben worden war, ist ein Industriepark entstanden.

(Andreas Hermann)

Fühlt sich wohl in Waldau: Jürgen Blutte an der Fahrrad-Service-Station am Eingang der Offenen Schule (OSW).
Fühlt sich wohl in Waldau: Jürgen Blutte an der Fahrrad-Service-Station am Eingang der Offenen Schule (OSW). © Andreas Hermann

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