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Sanierung der Waldauer Zehntscheune: Schmuckstück wird viel früher fertig

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Von: Andreas Hermann

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Vor der Zehntscheune: Joachim Bonn, der seit der Gründung 2010 Vorsitzender des Fördervereins ist und bis Ende März noch Waldauer Ortsvorsteher war, freut sich über den deutlich früheren Abschluss der Sanierung.
Vor der Zehntscheune: Joachim Bonn, der seit der Gründung 2010 Vorsitzender des Fördervereins ist und bis Ende März noch Waldauer Ortsvorsteher war, freut sich über den deutlich früheren Abschluss der Sanierung. © andreas hermann

Die Sanierung der Zehntscheune kann bereits 2023 abgeschlossen werden, mindestens fünf Jahre früher als ursprünglich geplant.

Waldau – Bei der Sanierung von Jahrhunderte alten und unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden muss man auf böse Überraschungen gefasst sein. Das gilt für die geplante Laufzeit genauso wie für die geschätzten Kosten.

Meist dauert es länger und wird es teurer als gedacht. Im Gegensatz dazu scheint die seit 2010 andauernde Sanierung der über 550 Jahre alten Waldauer Zehntscheune ein Ausnahmefall zu werden. Sie soll im Frühjahr 2023 abgeschlossen sein – und damit mindestens fünf Jahre früher als ursprünglich geplant.

Möglich wird dies durch die Aufnahme in das Programm Soziale Stadt. Über die Förderung aus diesem Topf ergibt sich die Chance, den Rest der Sanierung in einem Zug zu finanzieren und damit deutlich zu verkürzen, erklärt Joachim Bonn, der Vorsitzende des 60 Mitglieder zählenden Fördervereins.

Nach Bonns Angaben stellt die Stadt Kassel für die Sanierung jährlich 50 000 Euro zur Verfügung, die Landesdenkmalpflege schießt jeweils 20 000 Euro zu. Das Geld wurde bisher immer drei Jahre gesammelt, ehe Firmen mit Arbeiten beauftragt wurden. Ginge es so weiter, würde es mindestens bis 2028 dauern, bis die insgesamt 18 Bauabschnitte fertig sind. Durch das Programm Soziale Stadt können die Arbeiten aller Voraussicht nach nun aber im nächsten Jahr abgeschlossen werden, freut sich Bonn. „Was Besseres hätte uns gar nicht passieren können.“

Allerdings gibt es bis dahin sowohl im Inneren als auch an der Außenhülle der Scheune viel zu tun. Weil sie verfault waren, habe man an manchen Ecken des Fachwerkgebäudes 90 Prozent der Balken austauschen müssen. Mit der Förderzusage habe man nun die Sicherheit, dass mit den demnächst beginnenden Arbeiten an den Außenwänden dieser Bauabschnitt geschafft werde. Bis Ende März könnten so die Nordseite und die Giebelseite zur Nürnberger Straße „komplett durchsaniert“ werden.

Im Saal haben Helfer des Vereins ein Zelt aufgebaut, in dem diverse Utensilien und Materialien staubdicht eingelagert sind. Die Lager-, Büro- und Küchenräume seien entkernt und leer, sodass deren Abriss bald beginnen könne. Finanziell sei man nun auch in der Lage, erstmals eine Toilettenanlage einzubauen.

Die abgerissenen Innenräume werden durch neue ersetzt. Investiert werde auch in die Infrastruktur, betont Bonn. Auf der Südseite solle eine Wasserleitung zum Heizungsraum verlegt werden, um Toiletten und Theke frostsicher zu machen. Erneuert werde auch die komplette elektrische Anlage.

Der Vorsitzende hofft, die Zehntscheune ab Juni 2023 wieder vermieten und für eigene Feste nutzen zu können. Bei etwa zehn Vermietungen pro Jahr solle es bleiben. „Wir wollen und dürfen auch wegen der Gemeinnützigkeit kein privates Veranstaltungszentrum sein.“

Während die Kosten bei vielen öffentlichen Bauprojekten bereits in kurzer Zeit explodieren, hält sich die Steigerung bei der Zehntscheune im Rahmen. Ursprünglich mit 860 000 Euro angesetzt, wird es wohl auf etwas mehr als eine Million Euro Sanierungskosten hinauslaufen, so Bonn. Bleibt als einziger Wermutstropfen die Tatsache, dass wegen der Sanierung in einem Rutsch die Entenkirmes 2022 nicht im Saal der Scheune stattfinden kann. Ab 2023 dürfen sich die Waldauer dann aber auf das Feiern im fertig sanierten, ganz besonderen historischen Ambiente freuen.

Hintergrund

Die Zehntscheune Waldau wurde 1464 erbaut und 1484 erstmals urkundlich erwähnt. Bis zum 16. Jahrhundert diente der Renaissancebau als Abgabeort für den „Zehnt“, anschließend zur Aufbewahrung von Jagdgeräten.

Das Besondere an der unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkscheune ist die Mehrständerbauweise. Ursprünglich war das Gebäude doppelt so lang. Von den einst 1200 Quadratmetern Fläche blieben nach den Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg nur noch rund 600 übrig. Die alten Grundmauern lassen nach Angaben der Arbeitsgruppe Waldauer Geschichte(n) noch heute die gesamte Länge erkennen.

Nach dem Krieg folgte eine lange Zeit des Leerstands. Ab 1976 wurde die Scheune gewerblich genutzt – etwa als Getränkelager sowie als Verkaufsstandort (Teppich- und Tapetenscheune). Um zu verhindern, dass die damalige Eigentümerin Brandkasse sie an Private verkauft, erwarb 2010 die Stadt Kassel die Zehntscheune für einen symbolischen Euro. Unter der Bedingung, dass sich sogleich in Waldau ein Förderverein zur Unterhaltung und zum Betrieb als Veranstaltungsscheune gründet.

Schon gewusst?

. Der Name Zehntscheune stammt vom „Zehnt“ ab. Den zehnten Teil oder zehn Prozent ihrer Ernteerträge mussten die Waldauer Bauern dort einst an Klerus und Landgraf in Form von Naturalien abgeben.

. Die Zehntscheune, eines der ältesten Gebäude Kassels, gilt nach den Bauunterlagen als „Getränkescheune“. Hintergrund, so Fördervereinsvorsitzender Joachim Bonn: Die Stadt, die seit 2010 Eigentümerin ist, hat es bisher versäumt, das Gebäude umzuwidmen. Dies soll aber nun geschehen, die Zehntscheune soll offiziell zur „Veranstaltungshalle“ werden.

. Bei Veranstaltungen bleiben auch nach dem Umbau Plätze für bis zu 199 Besucher im Saal erlaubt – aus brandschutztechnischen Gründen. Nur für Veranstaltungen des Stadtteils (etwa Entenkirmes) gibt es eine Sondergenehmigung, mit der mehr als 200 Plätze möglich sind.

(Andreas Hermann)

Auf dem Dachboden noch erkennbar: Die Ziffern an den Holzbalken, unter denen einst die abgegebenen „Zehnt“ der jeweiligen Bauern eingelagert wurden.
Auf dem Dachboden noch erkennbar: Die Ziffern an den Holzbalken, unter denen einst die abgegebenen „Zehnt“ der jeweiligen Bauern eingelagert wurden. © Hermann, Andreas
In der Regel für bis zu 199 Besucher: Der Saal wird nach dem Umbau genauso vielen Menschen Platz bieten wie bisher. Auch eine neue Eingangstür ist noch geplant.
In der Regel für bis zu 199 Besucher: Der Saal wird nach dem Umbau genauso vielen Menschen Platz bieten wie bisher. Auch eine neue Eingangstür ist noch geplant. © Hermann, Andreas

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