Kassel. „Ich habe Probleme mit dem Rücken und mit der Schulter – so wie wahrscheinlich fast alle Menschen in Pflegeberufen“, sagt Rebecca Theis. Die 41-Jährige ist Krankenschwester in den Diakoniekliniken Kassel.
Bislang hat sie ihre Beschwerden hauptsächlich mit einem Rückengürtel und Schmerztabletten bekämpft. Nun hat sie an der achtwöchigen Aktion „Gutes für die, die Gutes tun“ teilgenommen, die die HNA und sechs Fitnessstudios in Nordhessen und Hann. Münden für Pflegekräfte angeboten haben.
Im Studio Injoy Lady in Kassel hat die gebürtige Zwestenerin Übungen gelernt, die genau auf ihre Beschwerden zugeschnitten sind und künftig helfen, dass ihr Körper für die Belastungen an der Arbeit besser gerüstet ist. Das ist wichtig, weil es sich die 41-Jährige dort oft gar nicht leisten kann, rückenschonend zu arbeiten.
„Wenn ein schwerer Patient gelagert werden muss, sollte man das eigentlich zu zweit machen. Das geht aber meistens nicht, weil einfach zu viel zu tun ist“, sagt Theis. Blut abnehmen, Infusionen legen, Tabletten verabreichen, Verbandswechsel und dann noch jede Menge Dokumentationsbögen ausfüllen – Zeit zum Durchatmen bleibt für die Krankenschwester auf der Interdisziplinären Überwachungsstation fast nie. Gemeinsam mit einer Kollegin ist sie pro Schicht für zwölf Patienten zuständig.
Seitdem Rebecca Theis 1999 als Auszubildende ins damalige Diakonissenkrankenhaus kam, ist die Belastung stetig gestiegen. Die Patienten seien mittlerweile älter und immer häufiger multi-morbide, haben also gleich mehrere Krankheiten und brauchen deswegen mehr Pflege. Außerdem gibt es immer mehr Formulare, die ausgefüllt werden müssen. Theis betont, dass die Arbeitsbedingungen bei den Diakonissenklinken gut seien. Doch wie generell in Deutschland wurde der gestiegene Zeitaufwand nicht mit mehr Personal abgefedert. „Sinnvoll wäre es, wenn wir drei statt zwei Pfleger pro Schicht hätten. Aber das ist wohl undenkbar.“ Rebecca Theis kennt kaum Menschen, die in ihrem Beruf bis zur Rente mit einer Vollzeitstelle durchgehalten haben.
Die Krankenschwester findet es gut, dass das Thema Pflegenotstand in Deutschland derzeit diskutiert wird, wozu auch die Fitnessaktion beitrage. Doch Hoffnung, dass sich an den Kernproblemen schlechte Bezahlung und Personalmangel etwas verändern wird, hat sie kaum. „Früher habe ich mir mehr Geld gewünscht. Das ist mir jetzt gar nicht mehr so wichtig. Vor allem brauchen wir mehr Personal.“ Wer in der Pflege menschlich sein und sich auch mal mit den Patienten unterhalten wolle, der mache Überstunden.
Das wird zumindest teilweise mit gesellschaftlicher Anerkennung vergolten. „Ihr seid so toll, mit euch würde ich nicht tauschen wollen“ – das bekommt Rebecca Theis regelmäßig zu hören. Doch wenn ein Patient im Bett liege und Hilfe benötige, aber kein Pfleger kommen könne, hätten Angehörige und Patienten dafür kein Verständnis. „Das kann ich nachvollziehen. Aber oft geht es leider einfach nicht“, sagt Theis.