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Was Kasseler unter Lebenskunst verstehen: Ungewöhnliches Fotoprojekt ist gestartet

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Von: Bastian Ludwig

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Stand für das aktuelle Projekt vor der Kamera: Vincent Brummer
5f55107e-ee5f-4e5f-98c2-d1dffff63ca4.jpg © Ryszard Majewski

Ein ungewöhnliches Fotoprojekt ist in Kassel gestartet. Dabei kommen junge Leute zu Wort.

Kassel - Alles wiederholt sich: Vor 30 Jahren hat der Kasseler Fotograf Ryszard Majewski mit weiteren Mitstreitern das Projekt „Lebenskunst“ gestartet. Er fotografierte über 150 junge Kasseler in Diskotheken, am Arbeitsplatz, in Schule und Universität und wollte von ihnen wissen, was sie unter Lebenskunst verstehen. „Damals, 1993, kurz nach der Wende, waren es Umbruchsjahre – und auch jetzt befinden wir uns wieder in einer Zeitenwende“, sagt Majewski, der sein Fotoprojekt neu auflegt. Das nahmen wir auch zum Anlass, die Protagonisten von damals aufzusuchen.

Majewski ist interessiert an den Menschen und ihren Wünschen, Zielen und Hoffnungen. Sein Projekt „Lebenskunst“ hat ihn auch 30 Jahre später nicht losgelassen. Damals wurden seine Sofortbild-Fotografien an 14 Orten in Kassel aufgenommen und dort auch ausgestellt. Später gab es einen Ringtausch der Bilder: Die Fotos aus der Diskothek Spot wurden in der Sparkasse gezeigt, die Fotos von der Universität in der Diskothek und so weiter. So sollten die unterschiedlichen Lebenswelten in Kontakt miteinander gebracht werden. „Da hing plötzlich der Punk in der Sparkasse. So etwas regt die Leute zum Nachdenken über den jeweils anderen an“, sagt Majewski.

Bei der Arbeit:
Bei der Arbeit:Ryszard Majewski beim Fotografieren in der Reuterschule. © privat

Vor wenigen Tagen hat der Fotograf nun wieder begonnen, junge Menschen abzulichten und sie zur Frage, was für sie Lebenskunst bedeutet, zu Wort kommen zu lassen. „Die jungen Menschen sollen sagen, wie sie ihr Leben gestalten wollen“, so Majewski. Es sollen wieder 150 Porträts werden. Diesmal werden alle Teilnehmer in einem goldenen Rahmen abgelichtet.

Fotografiert wurde in der Kneipe „Mutter“, in der Jacob-Grimm-Schule, der Reuterschule, der Knipping-Schule, im Anne-Frank-Haus und im Café Desasta. Weitere Termine gibt es in der Georg-August-Zinn-Schule, im Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn und beim TSG Wilhelmshöhe. Majewski sucht noch nach einer Diskothek, die sich bereit erklärt, ihre Türen für die Aktion zu öffnen. Sponsoren für die Dokumentation der Fotos werden ebenfalls gesucht.

Der Kasseler Verein Sesam und das Kommunale Jugendbildungswerk sind Mitorganisatoren des Projektes. Vom 13. bis 29. Oktober sollen alle Fotos bei einer Ausstellung im City-Point zu sehen sein.

Rückblick: Protagonisten von damals äußern sich

Thorsten Rückert
Arbeitet heute als Taxifahrer: Thorsten Rückert © Ryszard Majewski

Thorsten Rückert (53) hat gute Erinnerungen an das Projekt, für das er vor 30 Jahren vor der Kamera stand. Damals verstand Rückert unter Lebenskunst: „Ich will den echten Thorsten leben, den Thorsten, der seinen Weg geht, und dabei möglichst wenig von anderen beeinflusst wird.“ Der selbstständige Taxifahrer findet heute, das sei ihm bislang ganz gut gelungen.

Jürgen Klippert
Arbeitet im IG Metall Vorstand: Jürgen Klippert © Bastian Ludwig

Jürgen Klippert (55) denkt auch heute noch an das spannende Projekt. Damals verstand er unter Lebenskunst: „Den Blick für das Wesentliche zu behalten.“ Der Kasseler arbeitet im Vorstand der IG Metall als Referent am Thema „Zukunft der Arbeit“. Er habe den Blick für das Wesentliche im Grunde behalten. Die heutige Jugend habe es da schwerer. „Die Welt ist seit 1993 nicht einfacherer geworden.“

Anja Klapp
Arbeitet bis heute als Erzieherin in einer Kita: Anja Klapp © Bastian Ludwig

Anja Klapp (56) hatte vor 30 Jahren gerade ihre Erzieherinnenausbildung absolviert, als sie fotografiert wurde. Als Lebenskunst bezeichnete sie es damals „Einfach zufrieden zu sein und mir keine unnötigen Gedanken zu machen.“ Heute würde sie sagen, dass dauerhaftes Glück zu viel verlangt gewesen sei. „Immer wieder glückliche Momente zu erleben, das finde ich heute erstrebenswert.“

Ali timtik
Ortsvorsteher und Gastronom: Ali Timtik © Bastian Ludwig

Ali Timtik wurde vor 30 Jahren am Café Desasta an der Gesamthochschule fotografiert. Als Lebenskunst bezeichnete er es: „Siebeneinhalb Jahre Asylant in Kassel zu sein.“ Heute sagt der Ortsvorsteher der Nordstadt und Betreiber der Kneipe „Bei Ali“ über sich: „Ich bin voll assimiliert oder integriert.“ Seit 2000 sei er deutscher Staatsbürger. Damals habe er nicht gedacht, dass er den Weg gehen wird.

Kontakt: 0151- 56 31 65 15 aktions-fotografie@online.de

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