Was krabbelt, wächst und piept da? Bürger sollen mit einer App Tiere und Pflanzen bestimmen

Nun ist der Forschergeist gefragt: Die Menschen in Stadt und Kreis Kassel sind aufgerufen, mit einer App fürs Smartphone Tier- und Pflanzenarten zu entdecken.
Kassel - Schwarzer Schneckenjäger und Vierfleck-Zartspinne leben mitten unter uns. Nur weiß wohl kaum jemand etwas mit den klangvollen Namen anzufangen. Mithilfe einer Smartphone-App und einer Internetseite wird seit Jahresbeginn die Artenvielfalt in den deutschen Regionen bestimmt. Stadt und Kreis Kassel treten in diesem Wettbewerb der Regionen – „Bioblitz“ genannt – gemeinsam an. Mit dem aktuell dritten Platz liegt man gut im Rennen.
Der Förderverein des Naturkundemuseums in Kassel hat sich zum Ziel gesetzt, einen Spitzenplatz zu behaupten. Dafür ist die Teilnahme möglichst vieler Bewohner in Stadt und Kreis Kassel erforderlich. Der „Bioblitz“ wurde vom Naturkundemuseum Münster ins Leben gerufen. Es gehe auf der einen Seite darum, Artensterben und die Wanderbewegungen von Arten zu dokumentieren, sagt Kai Füldner, Leiter des Naturkundemuseums. Auf der anderen Seite solle aber auch das Interesse der Bürger an der heimischen Flora und Fauna geweckt werden. Die Daten kämen dem Naturschutz und der Grundlagenforschung zu Gute.
Das System funktioniert ganz einfach. Auf der Plattform observation.org wird die jeweilige Artenvielfalt in den unterschiedlichen Regionen dokumentiert. Für Einträge in das System können Bürger die kostenfreie App Obsidentify nutzen. Sie steht für Android- und Apple-Geräte zur Verfügung. Für die Nutzung sind keine biologischen Vorkenntnisse nötig.
Zur sicheren Bestimmung der Arten nutzt die App die Kamera des Smartphones. Die Software kann auf Basis eines Fotos mit hoher Wahrscheinlichkeit Pflanzen und Tiere erkennen. Sogar deren Töne (Vogelstimmen) und Spuren (Biber-Nagespuren, Wildschweinspuren und sogar der Kot von Tieren) reichen oft aus, damit die App die Arten identifizieren kann. Damit der Artenfund auch einer Region zugeordnet werden kann, muss die Standortbestimmung auf dem Smartphone für die App freigegeben sein.
„Voraussetzung ist ein scharfes Foto. Ein verwackeltes Bild eines vorbeifliegenden Vogels wird nicht funktionieren“, so Füldner. In der App wird dem Nutzer jeweils angezeigt, mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad es sich um eine bestimmte Art handelt. Selbst Flechten, Pilze und Bachflohkrebse werden erkannt.
In einem zweiten Schritt wird der Fund dann auf observation.org hinterlegt. Ein Team aus Experten sieht sich dann die Funde an. Halten diese das Bild für einen zweifelsfreien Beleg der Art, wird der Eintrag mit einem grünen Haken markiert.
„Was unerwünscht ist, sind Fotos angepflanzter Arten aus Gärten“, sagt Ira Waldow vom Förderverein des Naturkundemuseums. Diese würden von den Experten meist auch nicht anerkannt.
Für Stadt und Kreis Kassel wurden seit Jahresanfang über den Bioblitz 959 unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten eingetragen. 4600 Beobachtungen – darunter viele mehrfach beobachtete Arten – gab es seitdem insgesamt. Damit liegt die Region Kassel auf Platz 3. Angeführt wird das Feld von Münster und Herford, wo besonders viele Hobbyforscher mitmachen. „Die holen wir noch ein“, ist sich Füldner sicher. Die Aktion bringe Spaß und Wissensgewinn. Mirella Hofmeister vom Naturkundemuseum und Conny Becker vom Förderverein wussten vorher jedenfalls nicht, dass der Schwarze Schneckenjäger ein Käfer ist und dass die Vierfleck-Zartspinne unspektakulärer aussieht als es der Name vermuten lässt.
Ende des Jahres wird Bilanz beim Bioblitz gezogen. 2023 startet dann ein neuer Arten-Wettbewerb der Regionen.
Anmeldung: Interessierte müssen sich auf observation.org registrieren. Mit der App Obsidentify werden Funde dokumentiert. (Bastian Ludwig)