Dezernenten in Kassel: Drei von fünf Stühlen wackeln
Die Jamaika-Koalition im Kasseler Stadtparlament und der Wechsel des Oberbürgermeisters haben Folgen für die Dezernate und Dezernenten.
Kassel – Noch steht nicht fest, wer Oberbürgermeister von Kassel wird. Nachdem aber Amtsinhaber Christian Geselle auf seine Teilnahme an der Stichwahl verzichtet hat, ist klar, dass er nach dem 21. Juli nicht mehr auf dem Chefsessel im Rathaus sitzt.
Erhält Grünen-Kandidat Sven Schoeller bei der Stichwahl am 26. März über 50 Prozent der Stimmen, ist er der neue OB in Kassel. Der sich nach Geselles Ausstieg abzeichnende OB-Wechsel und die 2022 in Kassel begründete Jamaika-Koalition aus Grünen, CDU und FDP haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Besetzung der Dezernentenposten und den Aufgabenzuschnitt der Dezernate.
Änderungen sind nicht nur auf dem OB-Stuhl zu erwarten. Vielmehr wackeln auch die Stühle von drei der fünf weiteren Dezernenten im hauptamtlichen Magistrat: der Stuhl von Bürgermeisterin und Sozialdezernentin Ilona Friedrich (SPD), der von dem für Ordnung, Sicherheit und Sport zuständigen Stadtrat Dirk Stochla (SPD) und der von der parteilosen Kulturdezernentin Susanne Völker.
Die Amtszeit der Dezernenten in Kassel
Noch in diesem Jahr laufen die Amtszeiten von Friedrich, Stochla, Völker sowie die von Stadtbaurat Christof Nolda (Grüne) aus. Während die Rahmenbedingungen für eine Wiederwahl von Nolda besser als je zuvor erscheinen, sieht das bei den drei Kollegen anders aus.

Seit dem Bruch der grün-roten Koalition und mit der neuen Jamaika-Koalition gibt es in der Stadtverordnetenversammlung für die Wiederwahl der Sozialdemokraten Friedrich und Stochla sowie der parteilosen Völker keine Mehrheit. Nach der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) ist die Wiederwahl von hauptamtlichen Beigeordneten (Dezernenten) frühestens sechs Monate vor Ablauf der Amtszeit zulässig und muss spätestens drei Monate vor Ablauf der Amtszeit vorgenommen werden.
Friedrich ist seit November 2017 Dezernentin, ihre Wiederwahl müsste also bis August stattfinden. Stochla leitet seit Oktober 2017 das Dezernat, seine Wiederwahl müsste bis Juli erfolgen. Völkers Amtszeit läuft noch früher aus, leitet sie doch das Kulturdezernat seit September 2017.
Der Koalitionsvertrag zwischen Grünen, CDU und FDP in Kassel
Im Koalitionsvertrag haben Grüne, CDU und FDP bestimmt, dass sie bis zum Auslaufen der drei Dezernenten-Amtszeiten stillhalten wollen. Danach ist Folgendes zur Zusammensetzung des hauptamtlichen Magistrats geregelt: Wenn das Oberbürgermeisteramt von einer der Vertragsparteien besetzt wird, stehen den Grünen drei Mitglieder, der CDU zwei Mitglieder und der FDP ein Mitglied zu. Sollte das OB-Amt nicht von einem Jamaika-Vertreter besetzt sein, sind die fünf übrigen Posten im hauptamtlichen Magistrat so aufzuteilen: drei für die Grünen (inklusive Bürgermeisteramt) sowie je ein Dezernat für die CDU und für die FDP.
Das heißt: Schafft es Sven Schoeller am 26. März in das OB-Amt, sind die den Grünen zustehenden zwei weiteren Dezernentenposten mit Nicole Maisch und Christof Nolda bereits besetzt. Wer die zwei der CDU zustehenden Dezernate besetzen soll, lassen die Christdemokraten bislang offen. Die FDP hat sich zur Besetzung des ihr zustehenden Dezernentenpostens ebenfalls noch nicht geäußert.
Die Kämmerei der Stadt Kassel
Eine gravierende Änderung im hauptamtlichen Magistrat wird allein durch Geselles Ausstieg kommen. Denn der neue Kasseler OB wird nicht auch Stadtkämmerer sein. Dies hatten unter anderem die Grünen schon im Wahlkampf gefordert. Ein neues Dezernat wird künftig also die Kämmerei sein. Nach dem Jamaika-Vertrag wäre dieses bei einem OB Schoeller von der CDU oder von der FDP zu besetzen.
Das Kulturdezernat in Kassel
Ob es künftig überhaupt noch ein eigenständiges Kulturdezernat in der Stadt Kassel geben wird, ist fraglich. Das Dezernat von Susanne Völker beinhaltet den mit Abstand kleinsten Aufgabenbereich. Die parteilose Völker war 2017 von den beiden abtrünnigen Liberalen Cornelia Janusch und Andreas Ernst als Kulturdezernentin präsentiert worden.
Janusch und Ernst hatten damals als fraktionslose Stadtverordnete für die nötige Mehrheit der Koalition mit SPD und Grünen gesorgt. Der neue OB Geselle hatte 2017 mit Völker, Friedrich und Stochla sein Dezernententeam komplettiert und so die Stavo-Koalition möglich gemacht. Wird jetzt der Grüne Schoeller Oberbürgermeister, könnte Völker nur dann wiedergewählt werden, wenn entweder die CDU oder die FDP auf einen der ihr zustehenden Dezernentenposten verzichtet.
Die Perspektiven im Kasseler Magistrat
Noch halten sich Grüne, CDU und FDP in Kassel bei der Frage bedeckt, wer künftig im hauptamtlichen Magistrat welche Posten und welche Aufgaben übernehmen soll. Wie der Grünen-Fraktionschef Steffen Müller auf Anfrage unserer Zeitung erklärte, wird sich die Jamaika-Koalition über die Frage der Dezernenten und Dezernate beraten, wenn die Oberbürgermeisterwahl entschieden ist.
Müller kündigte an, dass es auch eine Neuordnung der Zuschnitte und Aufgaben geben könne, nicht zuletzt solle ja das Ressort der Stadtkämmerei von der des OB getrennt werden. Nach dem Wechsel im Oberbürgermeisteramt wird es aller Voraussicht nach in diesem Jahr noch eine Reihe weiterer personeller Wechsel im hauptamtlichen Magistrat der Stadt Kassel geben. (Andreas Hermann)