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Schon in 30 Knästen gesessen: Jetzt ist Detlef F. in Kassel

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Von: Ulrike Pflüger-Scherb

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Die Sotha: In dem Gefängnis in WEhlheiden gibt es 139 Haftplätze. Foto:  Koch
Die Sotha: In dem Gefängnis in WEhlheiden gibt es 139 Haftplätze. Foto:  Koch

Kassel. In 30 Gefängnissen hat Detlef F. schon gesessen. Derzeit ist er in Kassel untergebracht, wo er therapiert und auf das Leben in Freiheit vorbereitet wird. Wir erzählen aus dem Leben von Detlef F. - und blicken in die Sozialtherapeutische Justizvollzugsanstalt, die nun 35 Jahre alt geworden ist.

Es ist ein Gefängnis für schwere Jungs, darunter auch Mörder, Totschläger, und Sexualstraftäter: Vor 35 Jahren wurde die Sozialtheraputische Justizvollzugsanstalt (Sotha, JVA Kassel II) eröffnet. Seitdem waren hier um die 1700 Strafgefangene untergebracht. Darunter derzeit Detlef F.: 

Wenn er immer noch in einem normalen Gefängnis säße, dann würde er vielleicht nie wieder frei kommen, sagt Detlef F. Der 55-jährige Mann aus Nordrhein-Westfalen hat um die 30 deutschen Knäste von innen kennen gelernt.

F., der aus dem Rotlichtmilieu kommt und bei den Hells Angels war, wurde mehrfach wegen Gewaltdelikten aller Art verurteilt. Das letzte Mal vor 15 Jahren. Damals bekam er unter anderem wegen Freiheitsberaubung und Schutzgelderpressung eine Freiheitsstrafe von elf Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung aufgebrummt.

In den Haftanstalten hatte F., der bereits als Kind Gewalt erfuhr, oft Ärger mit anderen Inhaftierten. Mehrfach kam es zu Schlägereien hinter Gittern. „Ich wurde nur weggesperrt und für gefährlich erklärt“, sagt der 55-Jährige. „Auf mich hat keiner mehr einen Pfifferling gegeben.“ Bis vor zweieinhalb Jahren. Seitdem sitzt Detlef F. in der Sozialtherapeutischen Anstalt (Sotha) in Kassel. Er hat jetzt das Ziel vor Augen, das Gefängnis in einem Jahr verlassen zu dürfen, um dann zunächst unter der Führungsaufsicht des Landgerichts draußen ein neues Leben zu beginnen.

„Hier hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass jemand an mich glaubt“, sagt der 55-Jährige, obwohl das erste Jahr für ihn in der Sotha nicht leicht gewesen sei. „Am Anfang war ich hier ziemlich nervös, temperamentvoll und aggressiv.“ Er habe aber das große Glück, eine Betreuerin zu haben, die zwar „hart, aber auch sehr herzlich“ sei.

Gruppen-, Einzeltherapie und Suchttherapie gehören seitdem zum Alltag des 55-Jährigen. Dabei geht es auch darum, die Taten aufzuarbeiten, sich in seine Opfer hineinzuversetzen. „Das sind anstrengende Gespräche. Man sitzt ja nicht hier, weil man Weintrauben gestohlen hat“, sagt Detlef F. „Man sitzt hier zu Recht. Man sitzt hier, weil man gefährlich war.“

Natürlich sei die Haft in der Sotha angenehmer als in einem anderen Gefängnis, sagt der 55-Jährige. „Man kann sich freier bewegen, viel Sport machen, kochen und drei Mal in der Woche Besuch bekommen.“ Als Kuschelknast würde F. die Sotha dennoch nicht bezeichnen. „Die Therapie geht an die Substanz.“

Nachdem zwei externe Gutachter zu dem entsprechenden Ergebnis gekommen sind, darf F. die Sotha für Ausgänge verlassen. Am Anfang nur in Begleitung mit drei Bediensteten, F. war dabei angekettet. „Das war nicht angenehm“, sagt er, aber besser als die Mauern nur von innen zu sehen. Mittlerweile darf er in Begleitung einer Sozialarbeiterin die Freiheit schnuppern. „Ich bin voll gelockert.“

Ging nur um Kriminalität

In der Sotha habe er erstmals ein strukturiertes Leben kennen gelernt, sagt F., der in der Bäckerei der JVA arbeitet und in der Fußballmannschaft mitspielt. „Früher war ich doch immer nur auf der Pirsch, die Gier war immer größer als der eigene Verstand. Es hat sich alles um Kriminalität gedreht.“

Davon wolle er heute nichts mehr wissen. Aus familiären Gründen durfte F. kürzlich mit einem Betreuer in seine Heimatstadt fahren. Wenn er gewollt hätte, wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, dort Kontakt mit dem Milieu aufzunehmen, um zu türmen, erzählt er. Das machte F. nicht. Dann wäre er gleich wieder straffällig geworden und hätte in einem halben Jahr wieder gesessen, sagt er.

Faust in der Tasche ballen

In der Sotha, wo er mit neun weiteren Männern in einer Wohngruppe lebt, habe er gelernt, mit Konflikten und Enttäuschungen umzugehen. „Früher bestand mein Leben nur aus Gewalt. Ich kannte es nicht, dass man Konflikte anders als mit Fäusten oder Waffen lösen kann.“ Heute balle er die Faust lieber in seiner Tasche und denke nächtelang darüber nach, wie er ein Problem lösen könne.

„Ich bitte Menschen um Rat.“ Eins sei klar, sagt der 55-Jährige: Die Therapie in der Sotha funktioniere nur mit der Hilfe der Fachleute. Die meisten Straftäter müssten sich aber erst einmal eingestehen, dass sie Hilfe benötigten.

„„Ich fühle mich mit meinem neuen Leben wohl“, sagt F., auf den zwei erwachsene Töchter und eine Frau warten. „Heute kriege ich Glücksgefühle, wenn ich einen Weihnachtsbaum schmücke. Früher bin ich Weihnachten in den Puff gegangen.“

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