Nachbarschaft ist verärgert über Neubauprojekt in Wehlheiden: Kritik an zu dichter Bebauung

Ein Neubauprojekt in Wehlheiden stößt auf Kritik der Nachbarschaft. Wie in vielen Vierteln der Stadt geht es auch hier um die Verdichtung und ihre Folgen.
Wehlheiden – Wo über Jahrzehnte alte Garagen standen, klafft eine Baulücke. An der Hentzestraße baut ein Investor aus Kassel ein Wohnhaus mit fünf Eigentumswohnungen. Während die Käufer der Immobilien sicher froh waren, Eigentum in begehrter Lage gefunden zu haben, protestieren etliche Nachbarn gegen den sechsgeschossigen Neubau. Dieser nehme ihnen Licht und Luft. Ohnehin sei das Viertel in Wehlheiden schon zu stark verdichtet.
Während der Streit um dicht bebaute Quartiere in vielen Ecken der Stadt tobt, hat dieser Falle eine Besonderheit. Denn die Nachbarn, die den Neubau mehrheitlich verhindern wollten, sind teilweise Miteigentümer des Baugrundes. Doch es waren ihnen die Hände gebunden.
Der Konflikt schwelt schon seit mehr als zehn Jahren, als es erste Bestrebungen gab, an Stelle der Garagen ein Haus zu errichten. Das ehemalige Garagengrundstück an der Hentzestraße gehört zur Eigentümergemeinschaft des Eckhauses Friedenstraße 15. Beim Erwerb der Eigentumswohnungen in dem Altbau hatten die Käufer vor knapp 20 Jahren eine Klausel in der Teilungserklärung unterzeichnet, die sie nun zu Zuschauern der Vorgänge machte. Die Klausel besagt, dass der Besitzer der Garagen zum „Anbau“ berechtigt ist. Weil keiner der Bewohner damals Interesse an den Garagen hatte, blieben sie in der Hand des damaligen Eigentümers, der sie weiterverkaufte. „Hätten wir gewusst, dass ein Anbau fünf Geschosse plus Staffelgeschoss haben kann, hätten wir die Klausel nicht unterschrieben oder die Garagen gleich mitgekauft“, sagt Miteigentümerin Bärbel Gillmann.

Was Anwohnerin Ulla Wegner stört, ist vor allem die Größe des Neubaus, der höher ist als die viergeschossigen Gebäude an der Hentzestraße. „Bei einem kleineren Wohnhaus hätte ich mich nicht beschwert“, sagt Wegner. Nachbarin Susanne Kechel ärgert besonders, dass „wieder nur teure Eigentumswohnungen“ entstehen. Bezahlbarer Wohnraum sei viel wichtiger. Und Inge Formann klagt über die Auswirkungen für die Nachbarn an der Friedensstraße, denen durch das 19 Meter hohe Haus das Sonnenlicht genommen werde. Zudem werde eine Luftschneise verbaut.

Der Investor M&I hatte im HNA-Gespräch betont, dass er sich um ein gutes Verhältnis zur Nachbarschaft bemüht habe und das mit dem Neubau der Vorkriegszustand wiederhergestellt werde. Tatsächlich stand bis zum Krieg dort ein Gebäude, das ähnlich hoch war wie die Häuser an der Hentzestraße.
Zur Frage, was ein „Anbau“ ist, teilt das Bauamt mit, dass ein solcher ohne Abstand errichtet werde. „Insofern kann ein Neubau im Rahmen der Bauvorschriften auch angebaut werden“, so ein Sprecher. Als Nachbarbebauung im Innenbereich sei der Neubau nach Paragraf 34 Baugesetzbuch zu beurteilen. Als solcher müsse er sich „einfügen“. Dabei sei die Geschosszahl nur ein Kriterium. Darüber hinaus könne das Bauamt die Sorgen der Nachbarn zwar nachvollziehen, aber bei städtebaulichen Entwicklungen gehe es um Güterabwägungen. „Die Nachfrage nach Wohnraum steigt. Gleichzeitig sind die Flächen der Stadt begrenzt. Es gilt zudem Böden zu schonen. Deshalb folgt auch die Stadt Kassel dem bundesweiten Ziel der Innen- vor Außenentwicklung“, so der Sprecher. (Bastian Ludwig)