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Weinen und Lachen im Frauenhaus

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Von: Christina Hein

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Im Frauenhaus: zwei Frauen und ihre Kinder
Szene aus einem Frauenhaus auf einem Foto von Brigitte Kraemer © Brigitte Kraemer

Im Rahmen der Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag am 8. März werden im Kreishaus Kassel ab 2. März Fotos aus Frauenhäusern von Brigitte Kraemer zu sehen sein. Auf den Weg gebracht hat die Ausstellung das Autonome Frauenhaus Kassel.

Kassel/Herne – Die Künstlerin Brigitte Kraemer erlaubt mit ihren Fotos, die sie in Frauenhäusern gemacht hat, Einblicke in eine Welt, die normalerweise vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen ist.

Was hat Sie veranlasst, in einem Frauenhaus zu fotografieren?

Ich hab seit langer Zeit Kontakte zu Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern. Für meine Examensarbeit an der Folkwang Universität der Künste 1982 habe ich Fotografien von Frauen im Frauenhaus Duisburg gemacht. Das war noch ganz am Anfang. Damals gab es ja erst wenige Frauenhäuser. Das erste hat 1976 in Berlin geöffnet. So fing es an.

Wie ging es weiter?

1991 bin ich von den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Herne eingeladen worden, um zum zehnjährigen Bestehen eine Fotoserie für eine Ausstellung zu machen. Zum 30. Jubiläum 2011 gab es erneut eine Ausstellung mit alten und neuen Fotos. Auch ein Buch sollte entstehen. So kam mir die Idee, mich intensiver auch in anderen Frauenhäusern umzuschauen. Insgesamt habe ich in fünf Frauenhäusern fotografiert. Es gab eine Unterstützung durch das Land NRW. 2014 ist die Ausstellung fertig geworden und tourt seitdem.

In Frauenhäusern haben ja nur wenige fotografiert.

Es gibt ja naturgemäß wenig Fotomaterial aus Frauenhäusern. So existieren komische Vorstellungen von den Frauen, die da wohnen und arbeiten. Eben auch, weil die Häuser zum Schutz der Frauen abgeschottet werden müssen. Inzwischen sind die Mitarbeiterinnen offener geworden für eine gewisse Art von Öffentlichkeit.

War es schwierig, das Vertrauen der Frauen zu gewinnen?

Die Mitarbeiterinnen haben mich unterstützt und vermittelt. Das war der erste Schritt. Sie haben mir die Türen geöffnet. Ich konnte kommen und gehen. So konnte ich in Ruhe Kontakt zu den Frauen aufbauen und sie kennenlernen. Ich habe mir viel Zeit genommen, so wie ich gerne arbeite. Ich war in einzelnen Häusern drei Monate am Stück. Ich habe nichts geplant und nur fotografiert, was ich erlebt habe.

Wie haben Sie die Situation im Frauenhaus empfunden, als jemand, der ja im Gegensatz zu den Frauen dort, abends einfach wieder angstfrei nach Hause gehen kann?

Im Frauenhaus erlebte ich zwei Seiten. Einerseits gab es viele traurige Momente, hörte ich bedrückende persönliche Geschichten. Aber dann waren da auch lustige und heitere Situationen. Beides habe ich erlebt. Wenn die Frauen gerade vor dem gewalttätigen Mann geflüchtet sind, kann einen das schon betroffen machen. Je länger die Frauen im Frauenhaus sind, desto entspannter werden sie aber. Eine Studie hat ergeben: Je länger sie im Frauenhaus verweilen, desto besser schaffen sie nachher den Einstieg ins selbstständige Leben. Die Frauen helfen und stabilisieren sich gegenseitig und werden von den Mitarbeitern vor Ort unterstützt. Probleme haben grundsätzlich alle. Aber im Frauenhaus kommen sie zur Ruhe, können dort auch lachen und tanzen.

Was halten Sie von der Einrichtung Frauenhaus?

Es ist traurig, dass es sie gibt, aber es ist nötig. Es gibt sie in Deutschland seit 1976 und sie sind bis heute immer ausgebucht. Es sind immer zu wenig Plätze. Frauenhäuser muss es geben.

Sie thematisieren mit ihren Fotos oft soziale Sujets. Haben Sie einen entsprechenden Anspruch als Künstlerin?

Ja, das ist mein Anspruch. Ich fotografiere fast ausschließlich journalistisch. Ich arbeite für Reportagen im Stern, im Spiegel, in der Zeit. Ich habe nie für die Werbung gearbeitet, und ich habe es tatsächlich geschafft, mich finanziell durchzuschlagen. Eigentlich bin ich eine Mischung aus Sozialarbeiterin und Fotografin: Ich fotografiere Themen des Alltags, die Realität: So sieht es aus in unserer Gesellschaft. Da sollte hingeguckt werden. Das ist nicht immer angenehm. Glanz und Glamour interessieren mich nicht.

Nun werden ihre Fotos ja aus Anlass des Internationalen Frauentags gezeigt. Sind Sie eine Feministin?

Ich glaube schon. Ich war zeitweise auch aktiv in der feministischen Szene. Ich beschäftige mich immer wieder mit Frauenthemen für Zeitschriften und Zeitungen: Frauen im Knast, Mädchen, die ausgerissen sind, etc. Ich bin ja nun mal selber eine Frau. Dadurch habe ich einen guten Zugang zu anderen Frauen, zu Geflüchteten beispielsweise. Ich komme da relativ nah an die Frauen ran, was ein Mann gar nicht machen könnte. Ich denke: Hingucken ist wichtig, damit sich Dinge auch verändern können.

Die Fotokünstlerin Brigitte Kraemer, Herne
Brigitte Kraemer © Brigitte Kraemer

Zur Person:

Brigitte Kraemer ist 1954 in Hamm/Westfalen geboren, studierte nach einer Ausbildung zur Steuerfachgehilfin bis 1982 an der Folkwang Universität der Künste Fotografie und Grafik-Design. Seitdem arbeitet sie als freie Fotografin im Ruhrgebiet, wo sie auch lebt. Sie realisierte zahlreiche Buchprojekte, etwa über „Ausländer im Ruhrgebiet“. Sie wurde ausgezeichnet und gefördert, so von der Kulturstiftung Ruhr und von der VG BildKunst. Mit ihren Fotos ist sie in mehreren Sammlungen wie dem Ruhr Museum Essen vertreten.

(Christina Hein)

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