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Wer hat Trümmer beseitigt? Archiv der deutschen Frauenbewegung sucht Zeitzeugen für Projekt

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Von: Thomas Siemon

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Riesige Mengen Schutt: Der heutige Rosenhang bestand aus den Trümmern der zerstörten Stadt. Das Foto entstand in den 1940er-Jahren.
Riesige Mengen Schutt: Der heutige Rosenhang bestand aus den Trümmern der zerstörten Stadt. Das Foto entstand in den 1940er-Jahren. © Stadtmuseum Kassel

Was haben die so genannten Trümmerfrauen geleistet, wie verlief die Entfernung des Kriegsschutts in Kassel? Das Archiv der deutschen Frauenbewegung sucht Zeitzeugen.

Kassel – Wie war das eigentlich damals im Zweiten Weltkrieg und den folgenden Jahren? In einer Zeit, als Kassel in Schutt und Asche lag und die Trümmer beseitigt werden mussten. Dieser Frage widmet sich ein Forschungsprojekt unter dem Dach des Archivs der deutschen Frauenbewegung.

Anfangs seien sie noch davon ausgegangen, dass sie Material zur Geschichte der Trümmerfrauen zusammentragen würden, sagt Helke Dreier, die das Projekt zusammen mit Kerstin Wolff bearbeitet. Doch schon früh habe sich herausgestellt, dass an dem Mythos der Trümmerfrauen, die den gesamten Schutt der Nazizeit beseitigt haben, nicht wirklich viel dran sei.

Denn bereits nach den ersten Bombenangriffen ab Juli 1940 seien die Trümmer weggeräumt worden. Nicht selten von Zwangsarbeitern. Mit freiwilliger Trümmerbeseitigung habe das nichts zu tun gehabt. Später dann hätten ganze Firmenbelegschaften – zum Beispiel die von Henschel – mit angepackt, um die Produktion wieder in Gang zu bekommen.

Mitglieder des Staatstheaters halfen 1946 beim Wiederaufbau der Stadt Kassel.
Auch sie wurden verpflichtet: Mitglieder des Staatstheaters halfen 1946 beim Wiederaufbau der Stadt Kassel. © Stadtmuseum Kassel

Nach dem Krieg hätten die Alliierten unter anderem verurteilte NS-Kriegsverbrecher für die schwere Arbeit eingesetzt. Und oftmals hätten die Menschen einfach zusammen angepackt, um etwa ein stark beschädigtes Gebäude soweit freizuräumen, dass man es zumindest notdürftig wieder nutzen konnte.

Weil dieser Teil der Kasseler Geschichte im Gegensatz zur Forschung über den Wiederaufbau und auch der Auseinandersetzung über Bausünden bisher kaum im Fokus stand, suche man jetzt nach Frauen und Männern, die das erlebt haben. Von den Zeitzeugen erhoffen sich die Historikerinnen Aufschluss darüber, wie der Alltag mit Blick auf die Beseitigung der Trümmer ausgesehen hat.

Neben Zeitzeugenberichten werden Tagebücher, Briefe und Fotos aus dieser Zeit gesucht. Unter anderem hat der erste Kasseler Oberbürgermeister nach 1945 sehr akribisch Tagebuch geführt. Die Aufzeichnungen von Willi Seidel sollen ebenso in einer Publikation berücksichtigt werden wie Zeitungsartikel und andere Zeugnisse. Die Stadt Kassel unterstützt das Projekt finanziell.

Aufräumarbeiten bei Henschel in Kassel nach dem Zweiten Weltkrieg: Das Foto stammt vom 9. Oktober 1943.
Aufräumarbeiten bei Henschel in Kassel nach dem Zweiten Weltkrieg: Das Foto stammt vom 9. Oktober 1943. © Stadtmuseum Kassel

Dabei geht es nicht nur um die 1940er-Jahre. Die Trümmerbeseitigung verlief während des Krieges und auch danach in unterschiedlichen Phasen. Besonders groß waren die Schäden nach der Bombennacht vom 22. Oktober 1943. Weitgehend abgeschlossen sei die Mammutaufgabe erst zur Bundesgartenschau 1955 gewesen.

In dem Jahr, in dem auch die erste documenta stattfand, war aus den Trümmern der Innenstadt der Rosenhang aufgeschüttet worden. Für die Projektbeteiligten ist klar, dass an den Aufräumarbeiten und der Beseitigung des Schutts ganz unterschiedliche Personengruppen beteiligt waren – darunter auch die sogenannten Trümmerfrauen. Auf deren Rückmeldungen freuen sie sich genauso wie auf die von anderen Zeitzeugen. (Thomas Siemon)

Kontakt: Tel. (0561) 98 93 67 0 und per Mail dreier@addf-kassel.de

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