Bei Pfarrer Harald Fischer und den anderen Mitarbeitenden habe sie ihre lesbische Beziehung offen ansprechen können, sagt Sadura. „Die haben mich ganz normal weiterbehandelt.“ Auch ihre Freundin sei bei Besuchen in Kassel herzlich aufgenommen worden.
Dennoch sagt sie: „Mir war klar, dass ich meinen Beruf nicht weiter ausüben kann, wenn ich lesbisch bin.“ Ihre sexuelle Orientierung und ihre Beziehung auf längere Sicht zu verstecken oder gar zu leugnen, kam für sie nicht in Frage. „Dafür war ich mir selbst zu wichtig“, sagt Vanessa Sadura. Für sie sei ihr Coming-out, das in ihrer Familie und ihrem Freundeskreis ganz selbstverständlich aufgenommen worden sei, eine Befreiung gewesen. „Es hat mir so sehr geholfen, endlich ich selbst zu sein.“
Sie bewarb sich bei einer Kita in Paderborn und wandte sich im vergangenen Sommer mit der Jobzusage in der Tasche an ihren Ausbildungsleiter in Fulda und legte ihre private Situation offen. Eine geistliche Vertrauensperson habe sich anonym für sie beim Bistum erkundigt, erzählt die damalige Gemeindeassistentin. „Meine Ausbildung hätte ich wohl beenden können, aber als offen lesbische Gemeindereferentin hätte ich nicht arbeiten dürfen.“ Zwar hätten ihre Ausbildungsbegleiter in Fulda mit Verständnis reagiert und sie keinerlei Ablehnung spüren lassen, sagt Sadura. „Aber es wollte auch niemand gegen die offiziellen Regeln verstoßen.“ Sie kündigte.
Die 25-Jährige arbeitet nun in einem städtischen Kindergarten in Paderborn und qualifiziert sich zur pädagogischen Fachkraft weiter. In einem Gottesdienst sei sie seither nicht mehr gewesen, sagt die Katholikin. Auch wenn sich an ihrer Überzeugung nichts geändert hat, dass Gott alle Menschen liebt, habe sie in der Kirche das Gefühl: Ich bin hier nicht erwünscht.
Die Initiative „Out in Church“ finde sie hervorragend. Sie sei stolz auf alle, die sich öffentlich geoutet hätten, sagt Vanessa Sadura – gerade auch transsexuelle Menschen. „Die existieren für die offizielle Amtskirche ja gar nicht.“ Sie hoffe, dass die Aktion ernst genommen und auch nach Rom getragen werde, sagt die ehemalige Kasselerin. „Es darf nicht bei Worten bleiben, sondern es muss sich wirklich etwas ändern.“
Dafür wäre es wichtig, sagt Sadura, dass die katholische Kirche in Deutschland sich stark positioniert – gerade im Hinblick auf jene Länder der Welt, wo die gesellschaftlichen Realitäten noch anders sind. Sie wünscht sich, „dass der christliche Glaube wieder ein Schutzraum ist, so wie es am Anfang war. Bei Jesus waren alle Menschen willkommen.“ (Katja Rudolph)
Die HNA hat beim Bistum Fulda angefragt, wie man dort damit umgeht, wenn Menschen im Dienst der katholischen Kirche stehen oder in ihn eintreten wollen und sich herausstellt, dass sie queer sind – also eine sexuelle Orientierung jenseits der kirchlichen Norm haben. Konkret wollten wir wissen:
- ob verheiratete homosexuelle Personen für die katholische Kirche (weiter)arbeiten dürften?
- ob es Fälle in Nordhessen gibt, in denen sich das Bistum von Mitarbeitenden mit abweichender sexueller Orientierung getrennt oder ihnen ein Ausscheiden nahe gelegt hat?
- ob es aus Sicht des Bistums Fulda notwendig oder wünschenswert ist, das kirchliche Arbeitsrecht zu ändern, was die Loyalitätspflichten hinsichtlich der persönlichen Lebensführung betrifft?
- wie das Bistum die Aktion Out in Church bewertet?
Als Antwort erhielten wir lediglich einen Verweis auf die Sitzung des Ständigen Rats der Bischöfe in Würzburg in der vergangenen Woche. Dort habe Bischof Helmut Dieser (Aachen) für die Deutsche Bischofskonferenz das Anliegen der Aktion „Out in Church“ ausdrücklich begrüßt, heißt es in der Stellungnahme des Fuldaer Bistums. Zitiert wird darin Bischof Dieser: „Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung oder seiner geschlechtlichen Identität diskriminiert oder abgewertet oder kriminalisiert werden.“ Die von der Aktion aufgeworfenen Fragen sollten nun auch im Synodalen Weg (...) besprochen werden. Das Bistum Fulda teile diese Auffassung, heißt es in der Antwort aus der Pressestelle.
Das Dekanat Kassel-Hofgeismar hingegen unterstützt die Forderungen der Initiative. „Wir sind uns im Dekanatsteam einig, dass das kirchliche Arbeitsrecht geändert werden muss“, sagt Pastoralreferent Stefan Ahr vom Dekanat Kassel-Hofgeismar. Ausschlaggebend für eine Tätigkeit in der katholischen Kirche müsse der Glaube sein, die sexuelle Orientierung dürfe dabei keine Rolle spielen, fordert Ahr. Das sei auch deshalb wichtig, „um dem Auftrag der Kirche gerecht zu werden, in allen Lebensverhältnissen die frohe Botschaft zu verkünden“.