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„Der helle Wahnsinn“: Wirte kämpfen mit hohen Lebensmittelpreisen – das hat Folgen für Kunden

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Von: Axel Schwarz

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Gerade für Rindfleisch, Rapsöl und Bratfett müssen Kasseler Gastronomen derzeit höhere Preise zahlen.
„Alles ist sauteuer geworden“: Kostas Vick vom Düsseldorfer Hof nennt Rindfleisch, Rapsöl und Bratfett als Beispiele. © Andreas Fischer

Massive Kostensteigerungen bei Lebensmitteln und Energie machen der Kasseler Gastronomie zu schaffen. Das zeigt sich jetzt auch auf den Speisekarten.

Kassel – Erst blieben durch die Pandemie die Gäste aus, nun machen massive Kostensteigerungen bei Lebensmitteln und Energie den Gastronomen und Hoteliers in der Region zu schaffen. Die aktuellen Preissprünge bei Fleisch und Frischfisch, Obst und Gemüse seien „der helle Wahnsinn“, formuliert es ein Restaurantbetreiber aus Kassel. Viele Wirte haben schon ihre Speisekartenpreise erhöht – doch mit Rücksicht auf die Gäste längst nicht in dem Umfang, der die explodierten Kosten kompensieren würde.

Allein das überall benötigte Bratöl kostet dreimal so viel seit Kriegsbeginn in der Ukraine, während Hessens Gastgewerbe laut dem Branchenverband Dehoga im ersten Jahresquartal immer noch durchschnittlich 38 Prozent weniger Umsatz gemacht hat als im Vergleichszeitraum 2019 vor Corona. Da auch die Konsumenten von Preissteigerungen auf allen Ebenen betroffen sind, sei „die Bereitschaft zu Ausgaben in der Gastronomie begrenzt“, beschreibt Dehoga-Regionalgeschäftsführer Oliver Kasties die Lage.

Personalmangel, Lebensmittelpreise, Energiekosten: Kasseler Gastronomie kämpft

Teurer ist es für Wirte und Hoteliers auch beim Personal, sofern Mitarbeitende nach Tarif beschäftigt werden: Zum März sind die Tariflöhne im hessischen Gastgewerbe um 8,5 Prozent gestiegen, ein weiterer Erhöhungsschritt um 6,5 Prozent steht für Anfang 2023 schon fest. Das Hauptproblem vieler Gastronomen sind aber weniger die Kosten, sondern das Hauptproblem liegt darin, überhaupt Mitarbeiter zu finden: In der Lockdownzeit haben sich viele andere Job-Möglichkeiten gesucht.

In einer aktuellen Umfrage des Dehoga Hessen unter 420 Mitgliedsbetrieben werden Personalkosten und -probleme, Corona-Folgen und happige Lebensmittelpreise aber von einer Hauptsorge überlagert: An erster Stelle der Herausforderungen wurden die steigenden Energiekosten genannt, die in Profi-Küchen und Hotels immense Kosten für Betreiber darstellen.

Restaurant-Besucher in Kassel müssen sich auf höhere Preise einstellen

Jetzt stecken viele Gastronomen in der Zwickmühle, welche Preisaufschläge sie ihren Gästen zumuten können, ohne sie zu verprellen – und was mindestens herumkommen muss, damit ein Betrieb den verschärften Kostendruck wirtschaftlich verkraften kann. „Die Menschen werden sich auch im Gastgewerbe auf Preissteigerungen einstellen müssen“, sagt Hauptgeschäftsführer Julius Wagner vom Dehoga Hessen.

Den Wirten rät sein Regional-Kollege Oliver Kasties, dabei stets transparent zu machen, was höhere Preise auf den Speisekarten erforderlich macht.

„Kein Ende absehbar“: Wirt aus Kassel besorgt über steigende Kosten

Kostas Vick ist eigentlich immer gut gelaunt. Doch der Blick auf seine Einkaufs- und Lieferantenrechnungen verdirbt dem Wirt vom Düsseldorfer Hof momentan gründlich die Stimmung. Ob Rindfleisch oder Öl für seine Wirtshausküche – alles sei „sauteuer geworden“, stöhnt Vick. Tomaten: „Unfassbar“, was man im Moment dafür zahle. Und an die Abrechnung des Gaskraftwerks im Keller, das das weitläufige Wirtshaus mit Hotelbetrieb heizt, mag der 62-Jährige noch gar nicht denken.

Die Coronazeit bewältigt, das Personal bei der Stange gehalten – und jetzt spielen die Kosten verrückt. „Es ist einfach eine Katastrophe“, redet sich der Wirt – mit allerlei Seitenhieben auf die Politik – den Frust von der Seele. Und es sei „kein Ende absehbar“, was steigende Preise betrifft.

Gastronom aus Kassel: Preiserhöhungen nur mit Fingerspitzengefühl

Die triste Lage bringt Vick auf einen einprägsamen Nenner: ein Drittel weniger Geschäft als vor Corona, ein Drittel mehr Energie- und Zubereitungskosten neuerdings. „Wie vermittelt man das dem Gast?“ Die rhetorische Frage enthält schon die zwingende Konsequenz: Vick muss auch seine Preise überdenken. „Mit Fingerspitzengefühl“ hat er einige Essenspreise auf der Karte angehoben, Größenordnung: rund einen Euro. „Die Bierpreise lassen wir erst mal so“, sagt Kostas Vick. Lieber keinen zusätzlichen Stimmungsdämpfer bei den Gästen riskieren.

Im Restaurant vom Hotel Fischers in Wilhelmshöhe hat auch Inhaberin Silvia Fischer schon an den Menüpreisen geschraubt – „so minimal, dass es dem Gast momentan nicht auffällt“, sagt sie. Die Preise seien jedenfalls längst „nicht angepasst auf die aktuelle Entwicklung“ bei ständig steigenden Kosten.

Der Frühling und die documenta: Lichtblicke für Kasseler Gastronomie

Wie alles miteinander verzahnt ist, bekommt die Hotelbetreiberin ständig von ihren Lieferanten zu hören: „Die Wäscherei hat ihre Preise um 9 Prozent wegen der Spritkosten beim Holen und Bringen erhöht; der Spargelbauer argumentiert, dass er seine Gewächshäuser heizen muss.“ Auch einzelne Mitarbeiter, die in 50 Kilometer Entfernung wohnen, würden sich allmählich fragen, ob sich die tägliche Anfahrt im Auto noch lohnt. Silvia Fischer ist bestrebt, ihr Personal bei der Stange zu halten: „Ich brauche alle für die documenta.“

Dass zumindest die Umsätze wieder besser werden, hofft auch Dennis Kolle, Betreiber der Herkules-Terrassen im Bergpark Wilhelmshöhe. Ab Ostern seien dort nahezu jedes Wochenende wieder Hochzeitsfeiern anberaumt – ein Lichtblick, wenn man laut Kolle nur tatenlos zuschauen kann, wie Woche für Woche die Küchenzutaten teurer werden.

Wirte in Kassel hoffen auf Verständnis der Gäste

Bei Rindfleisch und Fisch mache jeder Schritt 2 bis 3 Euro je Kilo aus. Auch Heizöl habe er kürzlich tanken müssen; zum mehr als doppelten Preis wie beim vorigen Mal. Insgesamt seien die Kosten für den Restaurantbetrieb „mindestens 20 Prozent höher“ geworden.

„Wir werden jetzt mal ganz vorsichtig eine Preiserhöhung machen“, fügt sich Kolle in die Konsequenzen und äußert die Hoffnung, „dass das die Gäste auch verstehen“. Er hätte ansonsten nur zwei Optionen. „Aber ich möchte weder beim Personal sparen noch eine schlechtere Qualität einkaufen“, betont der Gastronom. (Axel Schwarz)

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