„Wollen, dass die Leute uns hören“: Eindrücke vom Auftritt der russischen Punkband Pussy Riot in Kassel

Die kremlkritische Punkband Pussy Riot spielte am Samstag im Theaterstübchen in Kassel. Die Veranstaltung war komplett ausverkauft.
Kassel – Dicht an dicht drängen sich die Zuschauer ins Kasseler Theaterstübchen. Ältere Leute mit Anzug und Abendkleid stehen neben jungen Erwachsenen mit Netzstrumpfhosen und zerrissenen Jeans. Sie alle warten auf die russische Punkband Pussy Riot, die am Donnerstag mit ihrer Europa-Tournee in Berlin begonnen hat und am Samstag zu Gast in Kassel ist. Mit dabei ist auch die 33-jährige Aktivistin Maria Aljochina. Sie war für die Tour aus Russland geflohen.
Aljochina betritt mit ihren Bandkollegen Diana Burkot, Olga Borisova und Anton Ponomarev die Bühne des Theaterstübchens und bietet eine umjubelte Mischung aus Musik, Theater und Videoclips – erst dröhnend dumpf, dann wieder hell und schrill. „Wir wollen, dass die Leute uns hören. Wir wollen nicht gewöhnlich sein“, sagt Aljochina auf Englisch im HNA-Gespräch nach ihrem Auftritt. Das Performance-Projekt basiert auf ihrem Buch „Riot Days“, das von Aljochinas Geschichte handelt.
Vor etwa zehn Jahren ist Pussy Riot durch ein Konzert in einer Moskauer Kirche gegen Wladimir Putin auf der ganzen Welt bekannt geworden. Aljochina wurde mit einer Bandkollegin zu zwei Jahren Straflager verurteilt. Sie geriet auch danach immer wieder ins Visier der russischen Strafverfolgungsbehörden, zum Beispiel durch Demos für den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny. Sie stand zuletzt unter Hausarrest und schnitt nach eignen Angaben für die Tour die elektronische Fußfessel durch, um nach Europa zu fliehen.
Nun ist Aljochina mit ihrer Band in Kassel – und das nicht zum ersten Mal. Vor drei Jahren stand Pussy Riot schon einmal auf der Bühne des Theaterstübchens. „Es hat sich viel geändert seitdem“, sagt die Aktivistin. Sie trägt beim Auftritt zum Zeichen der Unfreiheit unter Putins Regierung eine Fußfessel. „Nur wie ein Theater-Requisit“, erklärt sie.
Theaterstübchen-Chef Markus Knierim hatte im Jahr 2019 „über Ecken“ den Kontakt zu der kremlkritischen Punkband herstellen können. „Damals wusste ich nicht, was mich erwartet. Heute weiß ich es und freue mich umso mehr, dass sie wieder hier sind“, sagt er. Er sei glücklich, den Kasselern Pussy Riot direkt vor der Haustür präsentieren zu können.
Mit dem Konzert, das auch als Online-Stream in die Welt ging, möchte Knierim zur politischen Lage Stellung beziehen. „Wir positionieren uns klar gegen Putin und gegen seinen Angriffskrieg“, sagt er. Dieser Auftritt im Theaterstübchen sei anders als gewöhnliche Veranstaltungen. „Es gibt besondere Sicherheitsvorkehrungen“, sagt Knierim. Er habe sich um alles gekümmert, Näheres möchte der Veranstalter dazu aber nicht sagen.
Auch Kassels Kulturdezernentin Susanne Völker besucht das Konzert. Sie sagt: „Dass Pussy Riot hier auf der Bühne steht, ist einerseits eine große Freude, und andererseits ein Alarmsignal. Es ist wirklich wichtig, dass wir das Thema nicht aus den Augen verlieren.“ Eine Konzertkritik lesen sie auf den Seiten der
Die Band sammelt mit ihren Konzerten Spenden für ukrainische Flüchtlinge. Pussy Riot tritt unter anderem noch in München, Hamburg und Amsterdam auf. (Anna Weyh)