Nachhaltiges Wohnen made in Kassel: „Wollen keine elitären Möbel fertigen“

Wie können wir unsere Wohnung mit gutem Gewissen einrichten? Antworten auf diese Frage soll es heute und morgen bei der Veranstaltung „Nachhaltiges Wohnen“ im Apartmenthaus „Well Pretty Places“ an der Friedrichsstraße geben.
Kassel - Wir sprachen mit Sascha Kleczka, Mitinhaber der Möbelmanufaktur „Fuchs & Habicht“ aus Ahnatal, unter anderem über die Frage, wie nachhaltiges Wohnen bezahlbar werden kann. Die Ahnataler Firma hatte das 2022 eröffnete Haus mit Ferienwohnungen eingerichtet und dazu nur auf lokale Hersteller zurückgegriffen.
Wie schwer war es, bei der Einrichtung der fünf Ferienwohnungen nur lokale Anbieter zu nutzen?
Es gibt mittlerweile einige Kreative, die vor Ort produzieren. Die Küchenfliesen sind aus Bauschutt und werden von Absolventinnen der Kasseler Kunsthochschule hergestellt. Von der Teppichmanufaktur Teja Habbishaw aus Homberg kommen sämtliche Teppiche und Susanne Stein aus Kassel hat die Deckenleuchten aus Papier gefertigt. Die Keramikvasen sind von Josha Lohrengel und die Kissen hat Sophia Solaris aus Kassel gestaltet. Betten, Sitzmöbel und die Garderobenwägen sind aus unserer Werkstatt. Auch die Küchen haben wir entworfen und von Kimm Konzeptbau aus Bad Emstal fertigen lassen.
Hat sich die kreative Szene in Kassel, die Möbel und Accessoires anbietet, weiterentwickelt?
Neben den alteingesessenen Handwerksbetrieben gibt es inzwischen viele junge Unternehmen. Es könnten sicher noch mehr sein, wenn man bedenkt, dass an der Kunsthochschule Produktdesignerinnen und Produktdesigner ausgebildet werden. Viele verlassen Kassel aber nach dem Studium.
Was spricht gegen industrielle Möbelfertigung?
Ich bin kein Gegner von Ikea. Im Gegenteil. Die Idee eines modularen Möbelstücks, das sich zerlegen lässt, ist gut. Die industrielle Produktion ist nicht per se schlecht. Auch in größerem Maßstab kann man nachhaltig produzieren. Es macht sogar Sinn, den Rohstoff dort zu verarbeiten, wo er herkommt. Dies erspart unnötige Transportwege. Wir können uns vorstellen, aus benachbarten europäischen Ländern Teile hinzuzukaufen, etwa unsere Stuhlgestelle aus Stahl, die wir in unserer Manufaktur noch händisch fertigen. Diese wären in Osteuropa auch deshalb günstiger herzustellen, weil das Eisenerz vor Ort verhüttet wird. Was allerdings fragwürdig ist, dass wir aus Deutschland viel Holz nach Asien verkaufen, dass dort aufgrund des niedrigen Lohnniveaus zu günstigen Möbeln verarbeitet wird, die wir dann wieder importieren.
Wie ließe sich das unterbinden?
Solange es Möbel aus Billiglohnländern auf dem deutschen Markt gibt, werden sie auch gekauft. Viele beklagen zwar den Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland, aber fast alle kaufen ihre Produkte aus aller Welt. Während sich bei Lebensmitteln beobachten lässt, dass immer mehr Menschen regional und biologisch essen, hat sich das Bewusstsein für hochwertige Möbel noch nicht durchgesetzt. Für Elektroartikel, in denen teure Halbleiter stecken, geben wir ein Vermögen aus. Das Bett, in dem wir unser halbes Leben liegen, soll aber günstig sein.
Aber Möbel, die komplett in Deutschland gefertigt wurden, sind für die breite Masse kaum bezahlbar.
Es ist korrekt: Wenn ich ein günstiges Möbelstück will, kann dies nicht in Deutschland gefertigt worden sein. Dies liegt vor allem an den Lohnkosten, aber auch an Energiekosten, Materialkosten und so weiter. Umso weiter weg ich meine Produktion verlagere, desto günstiger wird es. Wir wollen aber keine elitären Möbel fertigen, sondern Möbel für jedermann. Da ist die Finanzierung eine Idee. Ein Stuhl für 360 Euro ist zwar nicht für jeden erschwinglich, wenn der Kunde aber pro Tag einen Euro zahlt, hat er ihn nach einem Jahr abgezahlt. Zudem bieten wir mit unserer Werkstatt eine kostenlose Aufbereitung der Möbel über zehn Jahre an. So bleiben Möbel ansehnlich und werden viel länger genutzt.
Dies ist keine neue Idee.
Das Thema ist im Grunde uralt. Denn nachhaltige Möbel gab es schon vor 100 Jahren, als sie noch fast ausschließlich massiv und lokal gefertigt und über Generationen genutzt wurden. Erst in den letzten Jahrzehnten ist die Halbwertzeit der Möbel immer kürzer geworden.
Termin: „Nachhaltiges Wohnen“, 28./ 29. April. Am Freitag, 18 Uhr, findet eine Einführung mit Rundgang und Diskussion statt. Ansonsten kann das Haus an beiden Tagen von 11-18 Uhr erkundet werden. Ort: Friedrichsstraße 13. (Bastian Ludwig)