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Zähne bleiben länger gesund: In Nordhessen aber mehr Behandlungen nötig als im Süden

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Von: Anna-Laura Weyh

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Vorsorge ist wichtig, doch die Zahl der Menschen, die die Zahnprophylaxe regelmäßig wahrnimmt, sinkt.
Vorsorge ist wichtig, doch die Zahl der Menschen, die die Zahnprophylaxe regelmäßig wahrnimmt, ist während Corona gesunken. © Hans Wiedl/dpa

Die Zahngesundheit wird in Hessen immer besser. Ein Nord-Süd-Gefälle ist aber dennoch sichtbar: Die Nordhessen benötigen öfter einen zahnärztlichen Eingriff als die Südhessen.

Kassel – Die Zahngesundheit der Hessen verbessert sich zunehmend. Laut Zahnreport, den die Barmer-Krankenkasse und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen (KZVH) präsentieren, kommen die Menschen länger ohne zahnärztliche Eingriffe aus als noch vor einigen Jahren. Es zeige sich aber ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. „Die Menschen in den nördlichen Landkreisen benötigen erheblich mehr invasive Zahntherapie als Mittel- und Südhessen“, sagt Martin Till, Landesgeschäftsführer der Barmer.

Laut Zahnreport sind von diesem Unterschied vor allem jüngere Menschen betroffen. 20-Jährige in der Stadt Kassel kommen durchschnittlich 3,95 Jahre ohne eine invasive Therapie aus, im Landkreis Kassel sind es 3,98 Jahre zwischen zwei Behandlungen. Damit liegt die Stadt Kassel auf dem viertletzten Platz Hessens. Nur in den Landkreisen Werra-Meißner (3,66 Jahre), Fulda (3,78 Jahre) und Hersfeld-Rotenburg (3,79 Jahre) benötigen junge Erwachsene noch öfter eine zahnmedizinische Invasivtherapie.

Invasive Behandlungen verletzen das Zahnfleisch

Eine invasive Behandlung bezeichnet einen Eingriff, bei dem das Zahnfleisch oder die Haut des Patienten verletzt wird. Zu den invasiven zahnmedizinischen Therapieleistungen gehören Wurzelbehandlungen, Parodontitisbehandlungen, neue Kronen, Neuanfertigungen von festsitzendem und herausnehmbarem Zahnersatz oder auch die Entfernung eines Zahnes.

Viel länger erspart bleibt ein solcher Eingriff hingegen den 20-Jährigen im Süden Hessens. In Frankfurt sind es im Durchschnitt 4,48 Jahre zwischen zwei Behandlungen, in Darmstadt sogar 4,78 Jahre. Auch bei den Gruppen der 40- und 60-Jährigen ist das Nord-Süd-Gefälle im Zahnreport zu erkennen, allerdings sind die Unterschiede in diesen Gruppen geringer. Insgesamt habe sich der Zeitraum zwischen zwei invasiven Behandlungen aber generell verlängert – sowohl bei den Nordhessen als auch bei den Südhessen.

Den Grund für diesen regionalen Unterschied kennt das Zahnreport-Team nicht. Faktoren wie regionale Versorgungsstrukturen und demographische Effekte können aber eine Rolle spielen.

Stephan Allroggen, Vorstandsvorsitzender der KZVH und Zahnarzt in Kassel, sagt: „Auch das Thema Prävention ist bei der Mundgesundheit von immenser Bedeutung.“ Denn die Erhebung der Barmer hat auch ergeben: Während der Pandemie haben weniger Menschen in Hessen die Zahnprophylaxe wahrgenommen. Damit sind zahnmedizinische Untersuchungen gemeint, die der Gesunderhaltung der Zähne dienen und Erkrankungen möglichst im Vorfeld vermeiden sollen. Weniger als 50 Prozent der Hessen nehmen diese Untersuchungen wahr.

„Regelmäßige Besuche in Zahnarztpraxen müssen deshalb noch ernster genommen werden“, sagt auch Barmer-Geschäftsführer Martin Till.

Vorsorge ist für jedes Alter wichtig

Immer weniger Menschen nehmen die Zahnprophylaxe wahr. Schon im Jahr 2020 ließen sich nur 48,8 Prozent der anspruchsberechtigten Menschen in Hessen für diese Vorsorge-Behandlung zahnärztlich untersuchen. Damit sank die Zahl um rund 120 000 Menschen in Hessen.

Dabei sei genau diese regelmäßige Untersuchung so wichtig, sagen Experten. Denn nur ein geringer Teil der Hessen im mittleren Alter komme langfristig ohne Therapie aus. Ursache dafür sei die häufig auftretende Parodontitis. Von dieser chronischen Erkrankung, die den Zahnhalteapparat betrifft. ist laut Kassenzahnärztlicher Vereinigung Hessen (KZVH) knapp jede zweite Person betroffen. Besorgniserregend sei der Befund, weil die Entzündung des Zahnfleischs nicht im Mund bleibt: Mögliche Folgen können Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes, Lungen- und Nierenerkrankungen sein.

„Nur durch konsequente Aufklärung und kontinuierliche Behandlung der von Parodontitis betroffenen Menschen können wir diese weit verbreitete Krankheit wirksam bekämpfen“, sagt Stephan Allroggen, Vorstandsvorsitzender der KZVH und Zahnarzt in Hessen. Prävention sei auch bei der Erhaltung und Verbesserung der Mundgesundheit von immenser Bedeutung. „Regelmäßige Besuche in der zahnärztlichen Praxis sind deshalb für alle Menschen in jeder Altersgruppe wichtig“, sagt Allroggen.

Mit Blick auf pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung fordert die KZVH auch die Erarbeitung neuer Behandlungskonzepte, so Allroggen. Denn die Zahl der Pflegebedürftigen habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt. Im Rahmen von Kooperationsverträgen mit Pflegeheimen betreuen Zahnärzte laut KZVH mittlerweile rund 51 Prozent der hessischen Pflegeheime. „Eine Vielzahl an Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sei bislang aber von wichtigen Präventionsangeboten ausgeschlossen“, teilt die KZVH mit.

Zahnärztliche Untersuchung sind außerdem schon bei Babys und Kleinkindern wichtig, um frühzeitig ein mögliches Erkrankungsrisiko zu erkennen und Eltern für die Mundgesundheit ihres Kindes zu sensibilisieren, so die KZVH weiter. In Hessen erhalten daher Eltern von Neugeborenen das ärztliche und das zahnärztliche Kinderuntersuchungsheft im Doppelpack. So soll vor allem frühkindlichem Karies entgegengewirkt werden.

Die Doppelabgabe der beiden Kinderuntersuchungshefte stellt als Pilotprojekt in dieser Form bundesweit eine Besonderheit dar. Hinter diesem Gemeinschaftsprojekt stehen die Kassenärztliche Vereinigung, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Landesverband Hessen, die Hessische Krankenhausgesellschaft, die Landesärztekammer, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen (KZVH) und die Landeszahnärztekammer.

Ein weiteres wichtiges Element ist die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe von Kindern in Kindergärten und Schulen. Dieses Projekt soll die gesundheitliche Chancengerechtigkeit von Kindern und Jugendlichen – unabhängig von ihrem Elternhaus – voranbringen. Neben den zahnärztlichen Untersuchungen geht es laut KZVH auch um das Erlernen einer systematischen Mundpflege, um Wasser als besten Durstlöscher und das Konzept Zuckerfreier Vormittag.

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