Symbole an Hauswänden in Kassel – Experten rätseln über ihre Bedeutung

Viele Altbauten sind noch mit Buchstaben und Symbolen aus dem Zweiten Weltkrieg versehen. Die Bedeutungen einiger Zeichen sind noch unklar.
Kassel – Wer besonders aufmerksam durch die Kasseler Straßen läuft, kann am Sockel von vielen Altbauten weiße Markierungen entdecken. Oft sind diese bereits verblasst. Manchmal findet sich ein „M“, manchmal ein „R“. Auch Pfeile sowie waagerechte und senkrechte Streifen sind zu erkennen. Es sind Überbleibsel von Luftschutzmarkierungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Bedeutung der Markierungen ist aber auch Experten heute nicht mehr immer ganz klar.

Ob Vorderer Westen, Kirchditmold, Südstadt, Wehlheiden, Innenstadt: Fast überall finden sich in Kassel noch Gebäude mit weißen Beschriftungen. Vor allem auf Backsteinfassaden und auf den unverputzten Sandsteinsockeln haben sich die vor 80 Jahren mit Leuchtfarbe aufgemalten Buchstaben und Zeichen erhalten.
Luftschutzzeichen an Häusern in Kassel: Wichtige Anhaltspunkte bei Luftangriffen
„In der Stadt konnte man sich mit dem Luftschutzzeichen bei Verdunklung und Bombenalarm orientieren, ebenso im Luftschutzkeller oder Bunker bei Stromausfall. Und nach einem Angriff konnten Rettungskräfte die Notausstiege der Luftschutzkeller finden, selbst wenn Trümmer auf der Straße lagen“, erläutert Stadthistoriker Christian Presche.

Nach Auskunft von Presche stammen die Markierungen aus der Zeit der Luftangriffe auf Deutschland. Sie sind vor allem zwischen 1943 und 1945 nach einem Erlass des damaligen Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Hermann Göring, in allen größeren Städten verwendet worden, um der Bevölkerung die Lage von Luftschutzräumen, Notausstiegen, Mauerdurchbrüchen und Sammelplätzen kenntlich zu machen. Auch für die Rettungskräfte waren sie nach Bombenangriffen wichtige Anhaltspunkte.
Luftschutzzeichen in Kassel: Für die Gestaltung der Zeichen gab es ein Normblatt
- Hier präsentieren wir eine Auswahl der damals gängigen Luftschutzzeichen:
- LSR: Luftschutzraum
- KS: Kein Schutzraum
- P = Personenkapazität LSR, in Kombination mit entsprechender Zahl genannt z.B. „P25“
- MA, MD: Mauerdurchbruch
- NA, NAS: Notausstieg
- LSA, LSN, LSNA: Luftschutz(not)austieg
- H: Hydrant
- G: Gasleitung
- Weiße Linien und Pfeile: zeigen Lage und Größe des Luftschutzraumes an.
Es gab unter den Nationalsozialisten bereits ein eigenes Normblatt (DIN 4063), wie Hinweisschilder für den Luftschutz zu gestalten waren. Die mit fluoreszierender Farbe aufgemalten Zeichen leuchten heute allerdings nicht mehr bei Nacht.

Der Kasseler Luftschutzexperte Bernd Tappenbeck, der mit seinem Verein Vikonauten Bunkeranlagen in der Stadt erforscht, verweist darauf, dass die Beschriftungen – trotz DIN-Norm – nicht ganz einheitlich gewesen seien. Je nach Stadt habe es regionale Unterschiede gegeben. So sei ihm nicht ganz klar, worauf die in Kassel häufig an Fassaden anzutreffenden Buchstaben „M“ und „R“ hingewiesen haben. Möglicherweise seien es verkürzte Versionen von „LSR“ (Luftschutzraum) und „MD“ beziehungsweise „MA“ (Mauerdurchbruch) gewesen. Das „R“ könne aber auch für die genaue Lage (rechts) des Luftschutzraumes gestanden habe. Zudem sei auch denkbar, dass das „M“ für Mauer stand und es insofern im betreffenden Keller gerade keinen Mauerdurchbruch gab.
Häuser mit Luftschutzzeichen in Kassel: Pfeile verwiesen auf Notausstiege
Auch Historiker Presche und Thomas Schmidt von der Feuerwehr Kassel, der ebenfalls regelmäßig durch die Kasseler Bunker führt, haben keine eindeutige Erklärung für „M“ und „R“.

Mehr Klarheit gibt es hingegen bei den kleinen Pfeilen. Diese verweisen auf Notausstiege oder nahe gelegene Luftschutzräume. Größere Pfeile mit Beschriftungen benennen die Sammelplätze, an denen sich die ausgebombten Bürger versammeln sollten. Ein solcher Pfeil findet sich beispielsweise an dem 110 Jahre alten Häuserensemble der Wohnungsbaugenossenschaft Vereinigte Wohnstätten 1889 an der Schönfelder Straße/ Ecke Heinrich-Heine-Straße.
Luftschutzzeichen an Häusern in Kassel: Altes Foto der Altstadt zeigt Symbole eindeutig
Aber auch am alten Polizeipräsidium am Königstor sind noch zahlreiche Markierungen erkennbar, die die Lage der Luftschutzanlage zeigen. In der Regel seien die Buchstaben und Symbole in einer Höhe von 1,50 Metern aufgemalt worden, damit sie auch dann sichtbar waren, wenn der Schutt sich türmte.

Auf einem alten Foto aus der Kasseler Altstadt, das die Wildemannsgasse 14 im Jahr 1944 zeigt, seien die Luftschutzmarkierungen gut erkennbar. Auf dem Bild ist sowohl der Pfeil zum nächstgelegenen Sammelplatz in der Karlsaue zu sehen, als auch die Markierungen, die auf den Luftschutzraum im Gebäude selbst verweisen. Das Gebäude aus dem Baujahr 1933 steht bis heute. Es wurde 2016 umfassend saniert. Markierungen sind keine mehr zu sehen. (Bastian Ludwig)
Wissen Sie mehr zu den Luftschutzzeichen und können sich möglicherweise sogar erinnern, für was „M“ und „R“ standen? Dann melden Sie sich gerne bei der Redaktion: kassel@hna.de.