Beim Geigenklang bebte die Erde: Nigel Kennedy spielte Jimi Hendrix

Bad Hersfeld. Das Herzberg-Festival überraschte mit viel Rock-Musik und einem Stargeiger
Bad Hersfeld. In die Hippie-Geschichte eingehen wird das diesjährige Festival am Fuß der Burg Herzberg nahe Bad Hersfeld vermutlich als das Fest, das auf allen Ebenen Musik präsentierte, die nichts mehr mit den Sound-Orgien der frühen Jahre zu tun hatte. Ohne aber die Aufbruchstimmung und den Geist der 60er-/70er-Jahre zu verraten.
Schon der Headliner am ersten Festivalabend, Pain Of Salvation, machte klar, wohin die

musikalische Reise geht. Die vier Schweden um Frontmann Daniel Gildenlöw verbinden den Prog-Rock der frühen Genesis mit Stoner-Rock von heute. Drogen sind da nicht im Spiel. Gildenlöw ist ein durchtrainierter Typ, dessen zweites Leben neben der Musik aus Fitness, Fitness und noch einmal Fitness besteht, gepaart mit gesunder Ernährung. Ein Energie- und Kraftpaket.
Weitere Bands, die mit großartigen Kombinationen „alter“ und „neuer“ Musik überraschten, waren Wucan aus Dresden – die klingen nach Black Sabbath mit Querflöte und Red-Hot-Chili-Peppers-Einflüssen – sowie Restock aus der Schweiz, deren Frontmann Tobias Leibacher nicht nur wie eine Inkarnation des jungen Robert Plant (Led Zeppelin) aussieht, sondern auch genau so singt. Restock spielten zwar „nur“ auf der kleineren Mental-Stage, zogen aber fast ebenso viele Zuhörer an, wie manche Bands auf der großen Bühne.
Time-Warp-Music nennt man diese Verbindungen von Musik aus verschiedenen Jahrzehnten. Und das geht nicht nur im Rock wie bei den Blues Pills, die mit ihrer Ausnahme-Sängerin Elin Larsson der Geschichte der frauengeführten Rockbands von Jefferson Airplane bis Gossip ein neues Kapitel hinzufügen. Selbst im Singer-Songwriter-Bereich funktioniert diese Zeitschleife. Die Musik von Cynthia Nikschaas etwa hat überhaupt nichts mehr mit „Zarte Sängerin singt Betroffenheits-Lieder zur Akustik-Gitarre“ zu tun. Das Energiebündel rockt und rappt – und fordert auf zum Glücklichsein.
Kennedy-Festspiel
Das Herzberg-Festival war aber auch das Fest von Nigel Kennedy, der den musikalischen Bogen von der Klassik über die Rockmusik bis hin zu irischer Folklore spannte. Spieltechnisch war das, keine Frage, absolutes Weltniveau, in jeder Hinsicht überragend und es war unfassbar laut. Der Starviolinist begann sein Konzert mit „3rd Stone From The Sun“ von Jimi Hendrix. Da bebte sogar die Erde im Umkreis von 100 Metern um die Bühne. Der Sound war exzellent. Eineinhalb Stunden zeigte hier ein begnadeter Musiker, wie facettenreich und bezaubernd Musik sein kann.
Bezaubernd, aber in melancholischer Hinsicht, war auch das Konzert der zweiten großen Festival-Stars, Lola Marsh aus Israel. Sängerin Yael Shoshana Cohen geleitete mit ihrer, an Lana Del Rey erinnernden Stimme 12.000 Zuhörer am zweiten Festivalabend in die Nacht und brachte die Herzberg-Stimmung auf den Punkt: „Ihr seht so gut aus. Hier ist alles so schön.“