„Mit Thielemann Maßstäbe setzen“

München - Jan Nast ist Orchesterdirektor der Staatskapelle Dresden – und darf ab der Spielzeit 2012/13 mit einem neuen, begehrten Chefdirigenten zusammenarbeiten: mit Christian Thielemann.
-Haben Sie Christian Thielemann von München weggelockt?
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Ich würde dies nicht so sagen. Wir konnten in dieser Konstellation eher eine passive Rolle spielen. Konkrete Gespräche mit Herrn Thielemann gab es erst in den Tagen seines Einspringens mit Bruckners Achter im September. Eine Woche später wurde das Orchester befragt. Die Staatskapelle hat sich daraufhin mit überwältigender Mehrheit für ihn ausgesprochen.
-Als Fabio Luisi in Dresden sein Konzert absagte, haben Sie Christian Thielemann angerufen. Das passierte doch mit Hintergedanken...
Dass Herr Thielemann schon immer ein interessanter Kandidat für uns war, steht außer Frage. Kontakte gibt es seit vielen Jahren – und eine Planung für Gastkonzerte in den nächsten Spielzeiten. Da lag es nahe, ihn auch für das Einspringen zu fragen.
-Übernehmen Sie nun Thielemanns Termine, die eigentlich mit den Münchner Philharmonikern geplant waren? Stichwort: Oper in Baden-Baden.
Das könnte durchaus sein. Unser Orchester kann dank seiner Planstellen-Anzahl Oper und Konzert im Parallelbetrieb spielen. Da wir unsere Auswärtsgastspiele in den nächsten Jahren weitgehend festgelegt haben, müsste man allerdings erst sehen, ob und wie Baden-Baden da hineinpasst.
-In Nürnberg gab es mit Christian Thielemann Probleme, in Berlin und nun in München auch. Haben Sie nicht Angst davor, dass Ihnen nach mehrjährigen Flitterwochen auch so etwas passiert?
Mit Angst sollte man nie in eine Beziehung gehen. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass auch in Dresden so etwas passieren könnte.
-Es heißt immer: Orchester müssen sich auf einem sich veränderten Klassikmarkt anders positionieren. Die Staatskapelle ist sehr traditionsbewusst, Christian Thielemann steht für Tradition. Ist diese Ehe ein Aufbruchssignal?
In dem Sinne, dass ganz neue Dinge passieren, sicherlich nicht. Sein Kernrepertoire und unseres deckt sich eben. Was die mediale Vermarktung betrifft, haben wir aber bereits zukunftsfähige Strukturen geschaffen. Ich glaube schon, dass wir gerade im deutschen Repertoire mit Christian Thielemann auch zukünftig Maßstäbe setzen werden.
-Was kann man den Dresdnern zumuten, was nicht?
Mit dem Amtsantritt von Fabio Luisi haben wir eine unserer Traditionen wieder verstärkt: Wir sind eines der ältesten Uraufführungs-Orchester der Welt. Natürlich findet diese Musik nicht immer automatisch Zuspruch. Aber wenn man den Kontakt mit dem Publikum sucht, erntet man auch überwiegend Zustimmung.
-Werden Sie mit Christian Thielemann nach München kommen?
Nächstes Jahr kommen wir mit Fabio Luisi nach München. Vielleicht ergibt sich sogar die Möglichkeit, künftig verstärkt mit Herrn Thielemann nach München zu reisen. Es gibt ja offensichtlich hier ein Publikum für ihn.
-Und wer hat bei Ihnen dann in strittigen Fragen das Letztentscheidungsrecht?
So etwas ist bei uns gar nicht konkret definiert. Es ist einfach wichtig, dass man über strittige Fragen redet. Es wird immer erst problematisch, wenn die Kommunikation abreißt.
Das Gespräch führte Markus Thiel.