Andreas Köthe ist der Freejazzer der Worte

Andreas Köthes Show „Der Musikkritiker“ hatte Premiere im Theaterstübchen. Der Rezensent unserer Zeitung trägt darin unter anderem Texte aus der HNA vor und erzählt launig und kenntnisreich von der Arbeit im Musikbusiness.
Kassel – Da präsentiert jemand eine Bühnenshow mit Texten über Bühnenshows. Darüber jetzt wiederum einen Text zu schreiben, ist ganz schön viel Metaebene. Aber ein großes Vergnügen, denn im Mittelpunkt steht ein Autor, dessen kreativer Sprachgebrauch einzigartig ist. Seit 20 Jahren setzt er Glanzlichter in der HNA: Andreas Köthe lud am Mittwoch im Theaterstübchen zur Premiere seiner Show „Der Musikkritiker“, in der er Rezensionen vortrug. Zudem erzählte er, wie es ihm als Kritiker ergangen ist, was High- und Lowlights waren, welches musikalische Glück man erleben kann und wie selbst einem solchen fulminanten Freejazzer der Worte manchmal der Formulierungsstrom versiegt.
Kurze Videoclips vermittelten den rund 40 Zuschauern einen Einblick in den Stil der jeweiligen Musiker, dann folgte die Kritik. Sprachliche Virtuosität verbindet sich bei Andreas Köthe stets mit fachlicher Kompetenz und mit einer analytischen Durchdringung des Geschehens. So entsteht die Würdigung eines Konzertabends, die nicht nur das Gesamterlebnis erfasst, sondern auch die Musik selbst – diese flüchtigste aller Kunstformen – durch Wortkreationen erlebbar macht. Bei einem Auftritt der Rapper von Blumentopf hat Köthe die Kritik in Reimen verfasst: „Philosophie mit Schwung im Knie als Zeremonie“.
Der Kreatives-Sprachbild-Pro-Satz-Index ist bisweilen so hoch, dass es kaum möglich ist, bei der Show Zitate für den Text über den Textkünstler mitzunotieren. Etwa, wenn K-Pop wie Ketchup aus dem Duschkopf schleimt, jemand eine Marlboro-Visage hat oder den Jazzern um Christian McBride eine Leichtigkeit attestiert wird, als könnten sie Beton mit dem Tortenheber abtragen. Köthe ist auch nach 1276 Rezensionen berührbar geblieben für große Kunst. Etwa bei Folkpop mit Tina Dico im Kulturzelt, wo er als Kritiker lediglich auf Youtube verlinken und das Musikerlebnis teilen möchte: „Die Songs sind qualitativ mehr als ausreichend frankiert, sodass es für eine eindrucksvolle Reise zu den Sternen reicht.“
Von Bettina Fraschke