Dirigent Yoel Gamzou wird Generalmusikdirektor in Bremen - und kommt nach Kassel

Bremen/Kassel. Yoel Gamzou, von 2012 bis 1015 Kapellmeister am Kasseler Staatstheater, macht in Bremen Furore. Am 11. März kehrt er für ein Konzert nach Kassel zurück.
Hanseatisch nüchtern, in seiner Gediegenheit durchaus einladend präsentiert sich das nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaute Bremer Theater am Goetheplatz. Hier hat der Dirigent Yoel Gamzou zu Beginn der Spielzeit die musikalische Leitung übernommen – und schon in den ersten Monaten künstlerische Zeichen gesetzt. So starke Zeichen, dass sein Dreijahres-Engagement vor wenigen Tagen vorzeitig auf fünf Jahre verlängert wurde – verbunden mit dem Titel eines Generalmusikdirektors.
Innerhalb kurzer Zeit ist es Gamzou gelungen, das Publikum an der Weser (und auch die Theaterverantwortlichen) ähnlich zu begeistern, wie ihm dies auch während seines dreijährigen Engagements von 2012 bis 2015 als Erster Kapellmeister am Staatstheater Kassel gelungen war. Es gebe Situationen, in denen man auf besondere Umstände und Künstlerpersönlichkeiten reagieren müsse, kommentierte der Bremer Intendant Michael Bögerding die Vertragsverlängerung mit Gamzou, der in wenigen Wochen gerade erst seinen 30. Geburtstag feiert.
Spektakulärer Einstieg
Spektakulär eingeschlagen ist in Bremen Gamzous erste Opernproduktion, Dmitri Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“, die er gemeinsam mit einem anderen Ex-Kasseler Theatermann realisiert hat: dem Regisseur Armin Petras (53), von 1999 bis 2002 Oberspielleiter des Kasseler Schauspiels. Petras’ Schauspiel-Intendanz in Stuttgart endet im Sommer, die gemeinsame Arbeit in Bremen soll auf jeden Fall weitergehen, sagt Gamzou.
Das ist ein spannendes Versprechen, denn die bezwingende Dramaturgie und musikalische Kraft dieser „Lady Macbeth“ – beim Besuch der achten Vorstellung war das Theater voll und das Publikum wie hypnotisiert – ist sensationell. Das Drama der vernachlässigten und gedemütigten Kaufmannsfrau Katerina Ismailowa, die zur Mörderin wird – verkörpert von der grandiosen Sängerdarstellerin Nadine Lehner – wird hier in die Zwangsgesellschaft einer sibirischen Industriestadt am Polarkreis versetzt und mit erschütternder Genauigkeit (durch Videoprojektionen verstärkt) realisiert. Mit Gamzous Dirigat, das Schostakowitschs Musik in ihren Extremen, ihrer extensiven Farbgebung, ihrer gewaltigen dynamischen Bandbreite und ihren feinen Stimmungsvaleurs auffächert, ergibt sich ein Opernerlebnis von seltener Suggestivität. Dazu gehört, dass Gamzou das Bremer Orchester hier zu einer Spitzenleistung animiert.
Impulse fürs Theater
Wie sehr es dem jungen Dirigenten gelingt, das Bremer Theater künstlerisch zu animieren, zeigt eine kleine Episode: Am Rande einer Probe ertappte er den kanadischen Tenor Chris Lysack, der in „Lady Macbeth“ den Verführer Sergei verkörpert, am Klavier – und erfuhr, dass dieser außerhalb des Theaters auch als Pianist konzertiert. Für eine von ihm gestaltete Gala zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein engagierte Gamzou den Sänger daher in einer Doppelrolle: als souveränen Klaviervirtuosen in Gershwins „Rhapsody in Blue“ und als klangschönen Tony in einem „West Side Story“-Medley – eine wohl einmalige Kombination.
Menschen zusammenzubringen, künstlerisch spannende, herausfordernde Programme zu entwerfen, darin ist Gamzou, dessen Schwerpunkt bisher im Konzertbereich lag, am Bremer Theater in seinem Element. Sein nächstes Projekt, Johann Strauß’ „Fledermaus“, ist ihm ebenso Herzensangelegenheit wie eine Reihe von Projekten, die zum Teil noch in der Wunschphase sind. Ganz oben dabei: Richard Strauss’ „Rosenkavalier“.
Wohin führt die Oper?
Künstlerische Seriosität und Offenheit für neue Formen, die heute das Publikum ansprechen, will Gamzou verbinden. Das Musiktheater sieht er allzu oft in einer Falle: Die Bühne steht für Avantgarde, der Orchestergraben für Werktreue. Oper müsse aber ein Gesamtkunstwerk sein. Aber auch „guten musealen Aufführungen“ spricht er keineswegs ihre Berechtigung ab.
Konzert in Kassel
Konzerte dirigiert Gamzou natürlich auch weiterhin. Mit der Neuen Philharmonie München, der er seit Jahren verbunden ist, wird er am 11. März in Kassel die 5. Sinfonie desjenigen Komponisten dirigieren, der ihm noch immer am nächsten steht: Gustav Mahler. Außerdem steht Mozarts A-Dur-Violinkonzert mit dem französische Geiger Gilles Apap auf dem Programm. Für manche eine Wiederbegegnung: Apaps außergewöhnliche Musikalität und individuelle Kadenz-Gestaltungen waren bereits 2016 in einem Konzert Gamzous in Kassel zu erleben.
Konzert: Sonntag, 11. März, 18 Uhr, Stadthalle Kassel. Vorverkauf: HNA-Kartenservice, Tel. 0561 / 203 204.