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Antisemitismus-Kunst in Kassel: Das erschüttert die documenta in ihren Grundfesten

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Von: Matthias Lohr

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Das Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf dem Friedrichsplatz in Kassel auf der documenta fifteen wurde am Montagabend verhüllt.
Am Montagabend wurde es verhüllt: Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf dem Friedrichsplatz. Es war erst am Freitagabend aufgehängt worden. Bei den Vorbesichtigungen seit Mittwoch war es noch nicht zu sehen. © Amira El Ahl

Die Kunstschau documenta verhüllt ein Kunstwerk auf dem Friedrichsplatz in Kassel, weil es offenen Antisemitismus zeigt. Ein Kommentar.

Kassel – Nun ist passiert, was niemals hätte passieren dürfen: Die documenta in Kassel zeigt antisemitische Kunst. Auf einem wimmelbildartigen Großplakat des indonesischen Kollektivs Taring Padi auf dem Kasseler Friedrichsplatz ist unter anderem ein Jude mit Schläfenlocken und SS-Runen auf dem Hut zu sehen. Die Karikatur der linken Künstlergruppe ist offen antisemitisch. Daran besteht kein Zweifel.

Antisemitismus bei der documenta in Kassel: Verantwortliche verhüllen Kunstwerk

Für die Kunstschau documenta in Kassel ist es nach der monatelangen Antisemitismus-Debatte der größte anzunehmende Unfall. Bislang ging es vor allem darum, ob Kuratoren oder Künstler der Israel-Boykottbewegung BDS nahestehen. Gerade palästinensische Künstler wurden in dieser Debatte vorverurteilt.

Das indonesische Kollektiv Ruangrupa, das die documenta fifteen in Kassel leitet, hat beteuert, dem Antisemitismus keine Bühne zu bieten. Doch nun sind auf dem zentralen Platz im Herzen der Stadt Karikaturen zu sehen, die in keiner deutschen Zeitung abgedruckt werden könnten – zu sehr erinnern sie an die Nazi-Propaganda des Hetzblattes „Der Stürmer“.

Antisemitismus-Kunst: Kasseler documenta kommt in Erklärungsnot

Es stellen sich zwei Fragen. Zum einen: Wie konnte es dazu kommen? Umfassend aufgeklärt hat dies die documenta mit ihrer Erklärung nicht, die sie am gestrigen Abend nach stundenlangem Schweigen verschickte. Zum anderen: Ist es richtig, das Banner zu verhüllen, als sei es ein Werk des Verpackungskünstlers Christo?

Selbst besonnene Beobachter der Debatte um den Antisemitismus bei der documenta-Kunst forderten gestern das sofortige Abhängen. Es gibt aber auch Stimmen, die sich dafür aussprechen, das Riesenposter unverhüllt hängenzulassen. Man müsse es einordnen. Endlich müsse die Diskussion über Antisemitismus beginnen, den es nicht nur in der islamischen Welt gibt.

documenta in Kassel: Antisemitische Kunst wirft einen Schatten auf die Ausstellung

Aber ist es erstrebenswert, dass Gäste aus aller Welt zur documenta nach Kassel kommen, um antisemitische Kunst zu fotografieren? Es wäre eine Form des Katastrophen-Tourismus.

Die documenta konnte nur eine schlechte Entscheidung treffen, denn eine gute gibt es jetzt nicht mehr. Dieses Dilemma hat die Leitung auch selbst zu verantworten. Dieser Eklat wird die immer noch bedeutendste Kunstschau der Welt in ihren Grundfesten erschüttern – mehr noch als der Finanzskandal 2017. (Matthias Lohr)

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