Künstler leben während der documenta im Museum

Das Fridericianum verwandelt sich in eine Schule, in der Künstler kochen und übernachten. Im Erdgeschoss sind Babys, Kinder, Teenager und deren Eltern zum spielerischen Lernen und Entdecken eingeladen.
Kassel – Viele spannende Neuigkeiten von der documenta fifteen stecken in einer Übersicht des Vermittlungsprogramms, dessen Details die Pressestelle jetzt bekannt gemacht hat.
In welcher Form wollen die Kuratoren einer documenta ihr Konzept dem Publikum vermitteln? Das ist bei jeder Weltkunstschau eine Schlüsselfrage – und die Antwort ist bei früheren Ausstellungen stets ganz unterschiedlich ausgefallen, bis hin zur Beteiligung der „Worldly Companions“ 2012, als explizit nicht nur Kunstwissenschaftler, sondern Angehöriger vielfältiger Berufs- und auch Altersgruppen Besucher führten.
Bei Ruangrupa, dem Künstlerkollektiv aus Indonesien, das die documenta fifteen (18. Juni bis 22. September) leitet, heißt das Vermittlungsprogramm Lumbung-Wissen. Das orientiert sich am prägenden Begriff dieser documenta: Lumbung, indonesisch Reisscheune, meint einen gemeinsamen Fundus von Ressourcen, die gesammelt und geteilt werden – neben Zeit, Ideen, Erfahrungen und Arbeitskraft eben auch Wissen. Ziel ist der Wissensaustauch zwischen Besuchern, Kunstvermittlern, Künstlern und Initiativen aus Kassel und der Welt.
Fridskul
Das Museum Fridericianum erhält einen neuen Namen: Fridskul. Das erinnert an „Gudskul“, wie das Gebäude eines von Ruangrupa mitgegründeten Kollektivs in Jakarta heißt. Gute Schule: Im Fridericianum werden Möglichkeiten und Modelle einer „horizontal ausgerichteten Bildung“ präsentiert. Lumbung als zentrale Praxis der d15 soll hier erfahrbar werden, aber nicht nur als „Ernte“, die lediglich lagert. Künstler werden sie „aktivieren und produzieren“. Ein Schlafsaal und eine Küche ermöglichen, den Lebensmittelpunkt in das Fridericianum zu verlegen.
Künstler nutzen „das einstige Ausstellungshaus, um dort gemeinsam zu leben, zu schlafen, zu essen, zu kochen und zu arbeiten“, heißt es auf der Website. In diesem Verständnis wird die Trennung von Kunst und Leben aufgehoben. Es soll ein Raum für Begegnungen entstehen, dessen Form sich im Lauf der Zeit aus der Nutzung ergibt.
Rurukids
Hier soll der Spaß an erster Stelle stehen. Angesiedelt im Fridericianum, soll Rurukids eine sichere und anregende Umgebung für Babys, Kinder und Erwachsene schaffen, wo sie Wissen teilen, Freundschaften schließen, spielen, sich entspannen und gemeinsam etwas gestalten können: Ein Raum für Aufführungen für und von Kindern, Musizieren, Filmvorführungen und Lesungen.
Walks and Stories
So heißen die Ausstellungsrundgänge, die mehrmals am Tag in verschiedenen Sprachen stattfinden. Eine zentrale Rolle nehmen die Sobat-Sobat ein, die Kunstvermittler. Auch dieser Begriff stammt aus dem Indonesischen: Sobat bedeutet Freund oder Gefährtin. Die Sobat-Sobat begleiten Besucher und Künstler während der 100 Tage: „Im Dialog mit den Teilnehmenden und durch die Praxis des Storytellings sind sie aktiver und gestaltender Teil von Lumbung-Wissen und dessen Kosmologie. Sie initiieren Begegnungen, bauen Brücken und verbinden Orte und Menschen“, heißt es vonseiten der documenta. Auf der Website sind elf Angebote buchbar, für jeweils 120 Minuten etwa „Unterwegs von Bootsverleih Ahoi bis Hallenbad Ost“ oder ab Werner-Hilpert-Straße „Von WH22 über Trafohaus bis ruruHaus“. Kosten: jeweils 13 Euro (10,80 Euro mit NVV-Monatsticket).
Barrierefreie Angebote
Barrierefreiheit wird großgeschrieben: Es gibt Rundgänge in Leichter Sprache, Deutscher Gebärdensprache, International Sign, mit Hörunterstützung per Induktionsschleife, mit beschreibenden und multisensorischen Inhalten sowie Angebote im Sitzen.
Für Schulklassen
Die d15 bietet für Schüler unterschiedliche Ausstellungsrundgänge und Workshoptouren an, die ihnen die Lumbung-Praxis näherbringen.
(Mark-Christian von Busse)