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Die Citizenship fährt nachhaltig von Berlin zur documenta

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Mit Muskelkraft: Das Schiff Citizenship kann über acht Fahrräder in Bewegung gesetzt werden.
Mit Muskelkraft: Das Schiff Citizenship kann über acht Fahrräder in Bewegung gesetzt werden. © Robert Klages

Die Menschen auf den Booten und am Ufer der Spree schauen verwundert: Was ist das für ein komisches Schiff? Ein umgedrehtes Dach, sieht etwas aus wie die Arche Noah, nur kleiner.

Berlin/Kassel – Es handelt sich um die „Citizenship“, ein Kunstboot, das von den Hauptstadtgewässern aus zur documenta fahren soll. Ankunft: 22. Juli. Ohne fossile Brennstoffe, allein durch solidarische Unterstützung, Segel und Muskelkraft. In rund 40 Etappen auf dem Weg nach Kassel will die wechselnde Besatzung künstlerisch arbeiten, an den Stationen neue Kunstschaffende aufnehmen und Veranstaltungen anbieten.

Als die Citizenship am Donnerstag am Startpunkt in Berlin ankommt, ist die Freude groß. Die Jungfernfahrt der Citizenship am Donnerstag ist geglückt, das Konstrukt hält. Nun steuert das Schiff Orte entlang der Flussufer von Havel, Mittellandkanal, Weser und Fulda an. Konzerte, Workshops, künstlerische Interventionen und Kochabende mit lokalen und internationalen Kunstakteuren und interessierten Menschen aus der Region stehen auf dem Programm. Nur durch die Kraft der Gemeinschaft bewege sich das Schiff fort, erklärt Elisa Georgi, Sprecherin vom „Zentrum für Kunst und Urbanistik“ (ZK/U) in Berlin. Die Künstler des ZK/U haben die Citizenship gebaut – unter anderem aus dem hölzernen Satteldach ihres Produktionsortes, der ehemaligen Lagerhalle eines Güterbahnhofs. Das Dach musste aus Sanierungsgründen abgenommen werden. „Bringt mit zur documenta, wovon ihr zu viel habt“, war die Aufgabenstellung. Das ZK/U hatte zu viel Dach.

Der Berliner Künstler Alexander Carlsen hat das Antriebssystem entwickelt. Acht Fahrräder kurbeln die Schiffsschraube an, nebeneinander montiert wie Trainingsgeräte in einem Fitnessstudio. Neben Muskelkraft soll Wind genutzt werden. Die Segel müssen während der Reise aber erst genäht werden. Eine Künstlerin wird sie aus Kleiderspenden erstellen, wozu eine Nähmaschine an Bord gebracht wurde. Zudem findet sich ein von Volkswagen und dem Fraunhofer-Institut in Kassel entwickeltes nachhaltiges Antriebssystem auf dem Boot, mit Photovoltaikanlage und Batteriesystem. Außerdem kann die Besatzung rudern. Lokale Rudervereine sowie Schwimmstaffeln haben ihre externe Zugkraft für Teilstrecken der Reise angekündigt.

Eine Biotoilette und eine Küche gibt es ebenfalls auf dem Deck, drei Skipperinnen werden sich abwechselnd um die Navigation kümmern. Die Citizenship tritt ihre Reise ohne Ausstattung an. Lebensmittel, Energie, Unterkunft und Kulturprogramm muss die Besatzung des Bootes auf den Etappen in Kollaboration mit Vereinen, Häfen, Kommunen und Unternehmen einwerben. Diese Abhängigkeit von den lokalen Strukturen ist Teil des Konzepts und bringt die Reisenden in Kontakt mit örtlichen Gegebenheiten der Anlegestellen, von kleinen Dörfern bis hin zu Städten wie Hannover, Wolfsburg und Braunschweig.

Gemeinschaftsprojekt: Zum Start des documenta-Projekts Citizenship in Berlin muss die Ausrüstung an Bord gebracht werden.
Gemeinschaftsprojekt: Zum Start des documenta-Projekts Citizenship in Berlin muss die Ausrüstung an Bord gebracht werden. © Robert Klages

Die ersten Kilometer ist das Kollektiv „Selbstgebaute Musik“ dabei. Die sechs Musiker wollen ein „Schiffshornmusikinstrument“ bauen, wie Lea Grönholdt und Manuel Strube erzählen. Gymnastikbälle, wie aus dem Sportunterricht, sollen aufgeblasen werden und den Luftdruck für das Rohrfagott erzeugen, bestehend aus Abflussrohren und Orgelpfeifen. Das Instrument wird während der Fahrt entwickelt und gebaut. „Wir schaffen neue Neue Musik und wollen die Notwendigkeit einer Bühne beseitigen, sagt Grönholdt. Geld haben sie für die Umsetzung nicht erhalten, ein Förderantrag wurde nicht angenommen. Aber, so lacht Strube: „Wenn die documenta ruft, muss man hin.“

Aufgeladen vor allem mit kultureller Energie und großer Freude startet das schwimmende künstlerische Forschungsprojekt dann Richtung Kassel. „Wir werden dort als vollkommen neues Kollektiv ankommen“, ruft ein Künstler vom ZKU. „Wenn wir überhaupt ankommen“, ein anderer. (Robert Klages)

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