1. Startseite
  2. Kultur
  3. documenta

Rückblick: documenta 12 in Kassel (2007) – Mohnfeld und Reis-Terrasse

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Mark-Christian von Busse

Kommentare

Das Mohnfeld der Kroatin Sanja Ivekovic vor dem Museum Fridericianum blühte Wochen nach der Eröffnung.
Ein später Erfolg: Das Mohnfeld der Kroatin Sanja Ivekovic vor dem Museum Fridericianum blühte Wochen nach der Eröffnung – und dann bezaubernd. (Archivfoto) © Lothar Koch

Die documenta 12 in Kassel von Kurator Roger M. Buergel konzentrierte sich 2007 auf einige abgesteckte Räume. Dennoch bot die Ausstellung viel populäre Kunst.

Kassel – Vor Beginn der documenta fifteen am 18. Juni 2022 blicken wir in einer Serie auf die bisherigen 14 Ausstellungen zurück. Heute: die zwölfte documenta in Kassel im Jahr 2007.

Zuletzt sahen die documenta-Standorte auf dem Kasseler Stadtplan wie Streusel auf einem Blechkuchen aus, wie nach dem Zufallsprinzip verstreute Pünktchen. Sie komplett abzulaufen, kostete Ausdauer und Energie. Auch die documenta fifteen wird sich diesen Sommer wie jede Ausstellung seit 2012 über das traditionelle documenta-Areal hinaus ausdehnen – und diesmal den Kasseler Osten erobern. Letztmals sehr viel kompakter war die documenta 2007.

Zahlen zur documenta 12

119 Künstler nahmen an der documenta 12 vom 16. Juni bis zum 23. September 2007 teil, 750.584 Besucher wurden gezählt. Das Budget betrug 26 Millionen Euro. Einen documenta-Standort gab es außerhalb Kassels: das Restaurant „El Bulli“ des Spitzengastronomen Ferran Adrià in Roses (Katalonien). 

Zwar kontrastierte der Künstlerische Leiter Roger M. Buergel, der durch die Ausstellung „Die Regierung“ in Lüneburg auf sich aufmerksam gemacht hatte, auch Gemälde in Schloss Wilhelmshöhe mit documenta-Kunst. Im Kulturzentrum Schlachthof gab es eine beeindruckende Videoarbeit des Polen Artur Zmijewski. Doch außer diesen Abstechern blieb seine documenta 12 auf einige wesentliche, fußläufig erreichbare Schauplätze, darunter Fridericianum und documenta-Halle, konzentriert.

documenta 12 in Kassel: Weltkunstausstellung konzentrierte sich 2007 auf wenige Standorte

Buergel hatte vor deren Grundsanierung die vollständig leergeräumte Neue Galerie zur Verfügung. Mit farbigen Wänden und Vorhängen setzte er gestalterisch Akzente. Durch das Pariser Büro Lacaton & Vassal ließ er auf der Karlswiese einen „Aue-Pavillon“ errichten. Das Versprechen eines Kristallpalasts ließ sich nicht halten – äußerlich attraktiv war der temporäre Bau mit seiner dominierenden Klimatechnik nicht. Drinnen gab es auf 9500 Quadratmetern viel Sehenswertes, darunter Romuald Hazoumès Boot „Dream“ aus Kanistern als einer der später in Kassel verbliebenen Publikumslieblinge.

Roger M. Buergel, Künstlerischer Leiter.
Roger M. Buergel, Künstlerischer Leiter. (Archivfoto) © Lothar Koch

Es gab viele ausgesprochen populäre Werke im Sommer 2007: die ausgestopfte Giraffe aus einem Zoo im Westjordanland („The Zoo Story“ von Peter Friedl), das von Sanja Ivekovic auf dem Friedrichsplatz angelegte Mohnfeld, die Tanzperformance von Trisha Brown. Vor allem der Chinese Ai Weiwei wurde zum Star: mit der gelassenen Reaktion auf den Einsturz seiner Skulptur „Template“ bei einem Gewitter, durch 1001 Chinesen, denen er die Reise nach Kassel ermöglichte („Fairytale“). Ai Weiweis 1001 uralte Holzstühle waren so omnipräsent wie die minimalistischen Skulpturen von John McCracken und Kerry James Marshalls Gemälde.

Historische Entwicklungslinien: Leiter der documenta 12 in Kassel wollte Belege zeigen

Für die Wanderungen ästhetischer Formprinzipien über Zeit- und Kulturgrenzen, die „Migration der Form“, wollten Buergel, später bis 2021 Direktor des Johann Jacobs Museum in Zürich, und seine Frau Ruth Noack als de facto Co-Kuratorin Belege zeigen. Buergel sprach von „imaginären Korrespondenzen“, aber auch von einem „Flechtwerk politischer Formbeziehungen, das die Globalisierung als ein sehr altes Phänomen ausweist“.

Die Ausstellung, die den Kunst-Kanon vergangener Jahrzehnte gerade auch in feministischer Perspektive korrigierte, zielte auf „historische Entwicklungslinien in der Kunst ebenso wie auf unerwartete Gleichzeitigkeiten“. Die Spanne reichte von persischen Miniaturen aus dem 14. Jahrhundert bis zu Danica Dakics Video „El Dorado“, das sie mit unbegleitet geflüchteten Jugendlichen im Tapetenmuseum gedreht hatte.

„The Zoo Story“ von Peter Friedl.
„The Zoo Story“ von Peter Friedl. (Archivfoto) © AP/Jens Meyer

Drei Leitmotive hatten Buergel/Noack ihrer Ausstellung vorangestellt: Ist die Moderne unsere Antike? Was ist das bloße Leben? Was tun? Die Ausstellung sollte erkunden, inwiefern die Gegenwart von Formen und Visionen der Moderne durchdrungen ist, welche Rolle die Bedingungen der Existenz und die Kreatürlichkeit des Menschen spielen, welche Bedeutung der künstlerischen Reflexion gesellschaftlicher Krisen und der ästhetischen Bildung zukommen.

documenta 12 in Kassel setzte bei Kunstvermittlung Maßstäbe – Publikum wurde einbezogen

Gerade im Hinblick auf die Vermittlung von Kunst setzten die Kuratoren, die beide auch selbst in ihrer Ausstellung präsent waren und mit Besuchern debattierten, Maßstäbe. Das Publikum wurde einbezogen, sollte in dialogischen Führungen eigenes Wissen einbringen. Guides hatten einen festen Platz in der Schau.

Mit Sakarin Krue-On war 2007 auch schon ein Künstler aus Südostasien prominent vertreten. Seine Reis-Terrasse am Abhang unter dem Schloss hatte es im nordhessischen Klima jedoch schwer. (Mark-Christian von Busse)

Auch interessant

Kommentare