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Szymczyk-Kenner: "Mit Kunst und Kapital hatte er keine Probleme"

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Von: Florian Hagemann

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Adam Szymczyk
Im Mittelpunkt: Adam Szymczyk, künstlerischer Leiter der documenta 14. © Schachtschneider

Kassel. Die documenta ist auch nach dem Ende ihrer 14. Auflage in der Diskussion. Bevor am Donnerstag der Aufsichtsrat tagt, lassen wir anerkannte Professoren zu Wort kommen.

Im Aufsichtsrat wird es um die Finanzen und um die Ausrichtung in Zukunft gehen. Wir haben mit Gregor Schneider über Adam Szymczyk und die documenta an sich gesprochen. Schneider ist Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf. Er zählt zu den renommiertesten deutschen Künstlern – ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen der Venedig-Biennale. Sein Schwerpunkt liegt auf gebauten Räumen.

Adam Szymczyk als Kapitalismuskritiker

Ich habe mit Adam Szymczyk Mitte der 90er-Jahre in seinen Anfängen zusammengearbeitet. Er hat nie als „Gegenpol gegen die bösen Kräfte unserer Zeit“, wie er heute sagt, gearbeitet. Er hat zusammen mit Joanna Mytkowska und Andrzej Przywara den Namen der legendären unabhängigen Galeria Foksal in Warschau gekidnappt und ihn einfach an einer anderen Adresse für seine eigenen Belange auf Messen kommerzialisiert. Später haben sie hinter dem Namen noch Foundation gesetzt, was aber in Polen eine ziemlich kommerzielle Angelegenheit ist. Noch heute bezeichnen die Kollegen in Warschau das Trio liebevoll „AAA Polen-mafia“.

Ich habe ja nichts gegen kommerzielle Galerien, aber dem Ganzen noch den Anstrich einer gemeinnützigen Organisation zu geben, ist schon ziemlich dreist. Szymczyk hat wie die Mehrheit der jungen Leute in seiner Zeit in Warschau die Zukunft im Kapitalismus gesucht und gefunden. Kapitalismuskritik war zu diesem Zeitpunkt nicht sein Thema. Das hätte ihm damals auch nichts gebracht. Mit der Verbindung von Kunst und Kapital hatte er keine Probleme, sie war der Motor für seine eigene Karriere.

Dass Kunst als ein Wirtschaftsfaktor Karrieren antreibt, hat Adam sehr früh erkannt. In Basel hat er als Direktor der Kunsthalle einen guten Job gemacht. Aber auch mit Galerien wie Hauser & Wirth und Firmen zusammengearbeitet.

Interessant ist doch an einer Biografie wie der Adam Szymczyks, dass er die Kapitalismuskritik für sich entdeckt, erst nachdem er die durch-ökonomisierte Kunstwelt durchlaufen hat. Vermutlich hat Adam nun den Mythos von Foksal in Kassel gesucht, welchen er selber zu Grabe getragen hat. 

Die Galeria Foksal wurde 1966 in Warschau gegründet – sie wurde nach der Straße benannt, an deren Ende sie stand. Hauptsächlich wurde dort avantgardistische Kunst ausgestellt. Außerdem fanden in der Galeria auch häufige Treffen zwischen den Künstlern statt. Dabei kam es auch zu Debatten, Demonstrationen, die die internationale Kunstszene entscheidend geprägt hatte.

Gregor Schneider
Hat seine eigenen Ansichten zu Adam Szymczyk und der documenta: Gregor Schneider. © dpa

Die documenta als Weltkunstausstellung

Die documenta und Biennalen und Skulptur-Projekte mit ihrem Weltkunstausstellungs-gequatschte werden einfach zu hoch gehängt, und das ist auch deren Problem. Durch diesen Druck müssen die Kuratoren ja durchdrehen und allen auf die Nerven gehen.

Die documenta ist eine sehr teure Ausstellung von der Produktion bis zur Eintrittskarte, und es ist eine Ausstellung von einem Kurator oder einer Kuratorin. Nicht mehr und nicht weniger. Das genügt auch vollkommen. Ich finde es ja super, wenn ein Kurator das macht, was er will: Das ist gut oder schlecht – zumindest sein Geschmack. Darüber lässt sich dann munter streiten.

Eine Großausstellung konnte dem Anspruch, einen Kunstquerschnitt der Zeit abzubilden, aber noch nie gerecht werden. Ganze Künstlergenerationen haben sich in der Vergangenheit ohne eine documenta kunsthistorisch durchgesetzt. Die Hybris einer selbsternannten Weltkunstausstellung nervt. Die documenta legitimiert sich nur durch ihre Geschichte und macht ihre jetzigen Kuratoren zu Trittbrettfahrern.

Der Besuchererfolg wird jedoch allen Mega-Ausstellungen zum Verhängnis. Wenn eine Million Besucher kommen oder kommen müssen, bringt das Strukturen und Begehrlichkeiten, die dem Experiment in der Kunst leider schaden. Dabei muss man demütig bleiben – für eine Lichtershow für 30 Millionen Euro würden mehr Besucher kommen.

Die documenta als politische Ausstellung

Jetzt heißt es, die documenta 14 sei politisch gewesen. Politik heißt per Definition, ein Regelsystem für ein Gemeinwesen zu entwickeln. Dafür gibt es Politiker. Ich bin der Überzeugung, dass die Künstler das nicht leisten können.

Die documenta – eine politische Ausstellung? Die Eröffnungskonferenz wirkte doch wie ein gleich-geschaltetes Zentralkomitee. Die Kunst darf aber nicht mit Eindimensionalität und Gleichschaltung auf die komplexen Probleme unserer Zeit reagieren. Wir brauchen individuelle Künstler, die nicht unbedingt systemkonform sind mit den Machtstrukturen der documenta. Künstler, die keinem Kurator in den Arsch kriechen. Ich höre die verschiedenen Stimmen der Künstler dieser documenta aber nicht.

Das Kuratoren-Gerede verstehe ich als leere Revolutionsgeste. Revolution kommt von revolutio, wörtlich: „das Zurückwälzen“, „das Zurückdrehen“. Aber wollen wir nicht nach vorne, zumindest weiter oder mal innehalten. Lieber Adam, ich mag ja schräge Typen, aber wie soll das gehen mit dem Zurückdrehen?

Die d14 als Doppelausstellung

Natürlich ändert sich die Welt. Kassel ist nicht das Zentrum, aber Athen auch nicht. Das Kuratorische nüchtern betrachtet: Zeitgenössische Kunstausstellungen fanden auch schon vor der documenta in Athen statt. Okay, es war eine Solidaritätsbekundung, der ich ja noch viel abgewinnen kann. Doppelausstellungen in zwei Städten gab’s auch schon. Ich liebe Doppelungen und Wiederholung. Die documenta verlässt ihr Camp! Hurra! Aber: Ist das plötzlich alles nur so toll und revolutionär, weil der documenta-Kurator das jetzt macht und sagt, das sei Revolution?

Diesmal in zwei Städten: die documenta.
Diesmal in zwei Städten: die documenta. © von Busse

Technisch, logistisch und finanziell muss man so was erst mal hinkriegen. Adam hat es mit schierer Größe und Geld versucht, mit purem Wachstum. Wenn es mit der Kunst nicht klappt, muss es krachen. Endlich wieder mal was los! Wir mögen das ja auch.

Also ist die Revolution die Geldvernichtung? Die findet eh schon statt. Geldverbrennungsanlagen waren die Museen doch schon immer. Musste ein Geldopfer für die Kunst erbracht werden? Es muss teuer sein, sonst hat es keinen Wert. Es muss wehtun.

Die documenta und das Mega-Kunstjahr

Endlich ist dieses Mega-Kunstjahr vorbei, und wir können wieder vernünftig arbeiten. Adam hat sein Wirtschaftsmodell vermutlich schon längst nach Afrika verlagert. Die documenta 14 hat eine große Chance vertan, neuen Werkbegriffen eine große Öffentlichkeit zu geben. Die beteiligten Künstler zahlen den höchsten Preis. Den der Unsichtbarkeit.

Das größte und glaubwürdigste politische Statement, das ich in diesem Kunstjahr bei einer Großausstellung erlebt habe, ist der kostenlose Eintritt zu den gesamten Skulptur Projekten in Münster. Freier Zugang für alle!  

Zur Person:

Gregor Schneider ist 48 Jahre alt, er kommt aus Mönchengladbach. Schon mit 13 Jahren malte er Bilder, die er heute noch in seinen Ausstellungen aufnimmt. Schneider ist Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf. Für sein „Totes Haus u r“ im deutschen Pavillon erhielt er 2001 den Goldenen Löwen bei der Biennale in Venedig. Für Diskussionen sorgte Schneider 2008, als er eine Person zeigen wollte, die eines natürlichen Todes stirbt oder gerade eines natürlichen Todes gestorben ist. Schneider bekam daraufhin Morddrohungen. 2012 wollte er in der Kasseler Karlskirche ausstellen, die evangelische Kirche sagte die Ausstellung aber aus Rücksicht auf die documenta ab.

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