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documenta 15: The Black Archives zeigen Ausstellung zu Rassismus in den Niederlanden – und in Deutschland

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Von: Leonie Krzistetzko

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Das Bücherregal zeigt eine Sammlung verschiedener Bücher wie zu Rassismus und Schwarzem Feminismus.
Das Bücherregal der Black Archives zeigt eine Sammlung verschiedener Bücher wie zu Rassismus und Schwarzem Feminismus. © Fischer, Andreas

Bei der documenta 15 stellt das niederländische Archiv The Black Archives im Fridericianum aus. Es widmet sich der Aufarbeitung von Rassismus und Kolonialisierung in den Niederlanden - und in Deutschland.

„White Silence = Violence“ (deutsch: Weißes Schweigen = Gewalt) steht in weißer Schrift auf einem schwarzen Jutebeutel geschrieben, der an einem Regal inmitten des Fridericianums hängt.

Der Beutel stammt von dem niederländischen historischen Archiv The Black Archives, das die Geschichte Schwarzer Menschen in den Niederlanden dokumentiert und damit auf Themen wie die Kolonialzeit und Rassismus aufmerksam macht.

Die Aufschrift auf dem Jutebeutel beschreibt dabei präzise, was sich als Grundtenor durch die Ausstellung zieht: Es ist für jeden Menschen wichtig, die Stimmen marginalisierter Gruppen zu hören, seine eigenen Privilegien aufzuarbeiten und zu hinterfragen, und sich mit der historischen Aufklärung von Rassismus und Kolonialisierung auseinanderzusetzen.

Für die documenta fifteen zeigen The Black Archives Exponate zu verschiedenen Ausstellungsreihen und beleuchten dabei starke Persönlichkeiten. So wird beispielsweise der Geschichte der surinamesischen antikolonialen Aktivisten Otto und Hermina Huiswoud Raum gegeben, die in der ehemaligen Niederländischen Kolonie in Südamerika aufgewachsen sind.

Hier hat sich Otto Huiswoud, dessen Vater als Sklave missbraucht worden war, unter anderem in dem Verein „Ons Suriname“ (Unser Surinam) als Vorsitzender eingesetzt, der eine wichtige Instanz für Widerstandsbestrebungen gegen den Kolonialismus wurde. Später gründete er als einziger Schwarzer die kommunistische Partei Amerikas mit, und setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den Niederlanden für die Gleichberechtigung der Schwarzen und surinamesischen Bevölkerung ein.

Im Fridericianum: Der Ausstellungsraum von The Black Archives auf der documenta 15.
Im Fridericianum: Der Ausstellungsraum von The Black Archives. © Andreas Fischer.

Der Ausstellungsabschnitt im Fridericianum zeigt Bilder von Otto Huiswoud und seiner Frau sowie Kopien von Ausgaben des Monatsmagazins „The N* Worker“, in dem Aktivisten ab 1931 über Themen wie Imperialismus, Rassismus und Kolonialisierung auf der Welt geschrieben haben – unter anderem hat Hermina Huiswoud dort Texte publiziert.

Auch erzählen The Black Archives die Geschichte von Anton de Kom, ebenfalls antikolonialistischer surinamesischen Aktivist, der in den 1930er-Jahren das Buch „Wir Sklaven aus Surinam“ veröffentlicht hat – nach Angaben des Archivs das erste veröffentlichte Buch einer surinamesischen Person gegen das koloniale System. Anton de Kom hatte sich während der Besetzung der Niederlande durch das Dritte Reich im Widerstand engagiert und ist in einem Konzentrationslager gestorben.

Die anderen Exponate fallen unter das Thema „Facing Blackness“ und widmen ebenfalls wichtigen wie schweren Themen, beispielsweise der Forschung an Schwarzen Menschen und ihren Körpern für rassistische Zwecke.

Dabei beleuchtet das Archiv das Thema auch vielfältig im deutschen Kontext – von Kolonialismus bis hin zur jahrelang rassistischen Werbung für die Firma Sarotti. Auch die Vergangenheit Kassels wird dabei aufgegriffen – beispielsweise, inwiefern Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel nach Darstellung des Archivs in den wissenschaftlichen Rassismus verstrickt war, der aus dem Leid und Tod von Schwarzen Menschen profitierte.

Eines der für sich stehenden Kunstwerke: Das Gemälde von Dion Rosina.
Eines der für sich stehenden Kunstwerke: Das Gemälde von Dion Rosina. © Fischer, Andreas

In seinen Abbildungen und Beschreibungen geht das Archiv sehr sensibel vor. Namen von rassistischen Personen werden durchgestrichen, rassistische und diffamierende Abbildungen verdeckt – wobei Ersteres gerade bei den historischen Ausstellungsobjekten nicht immer vollkommen gelingt. The Black Archives wollen aufklären, aber keine schädlichen Stereotype reproduzieren. Das zeichnet ihre Ausstellung aus – sie achten darauf, Retraumatisierung zu vermeiden, erzählen Geschichten auf den Punkt, ohne dabei zu explizit zu werden.

Neben den einzelnen Archivinseln ist ein Bücherregal in der Ausstellung der Black Archives sehr präsent, in dem Bücher zu unterschiedlichen Themen stehen, beispielsweise zu Intersektionalität – also Mehrfachdiskriminierung. So stehen Bücher über Schwarze Trans- und queere Rechte neben Werken zu Schwarzem Feminismus, Werken über europäische Kolonialverbrechen und Kinderbüchern, die sich vor Ort durchlesen lassen. Etwas aus dem Schema fällt hier jedoch die Sektion unter dem Namen „Befreit Palästina“, die sich in das Bild anderer Kunstwerke der documenta fifteen mit der gleichen Konnotation einreiht, aber ein anderes Thema aufmacht.

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