1. Startseite
  2. Kultur
  3. documenta

documenta 2022: Künstlergruppe Taring Padi hat in Kassel mehrere Workshops veranstaltet

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Mark-Christian von Busse

Kommentare

Hadid mit einem Pappaufsteller, der aussieht wie er. Das ist Teil der documenta fifteen in Kassel.
Die Pappfiguren, die in Workshops entstehen, werden an Stöcken befestigt und aufgestellt. Über seine Figur freut sich der achtjährige Hadid. © Mark-Christian von Busse

Die Künstlergruppe Taring Padi hat Workshops für Kinder veranstaltet und mit ihnen Pappaufsteller gebastelt. Sie sind Teil der documenta fifteeen in Kassel.

Kassel – Es herrscht fröhliches Gewusel vor dem Streetbolzerhaus am Struthbachweg in der Kasseler Nordstadt. Kinder hantieren mit großen Pappen, die auf dem Gras liegen, an Zäune gelehnt sind. Schnell sind die Hände der Kinder mit Farben verschmiert, sobald sie zu den bereitgestellten Pinseln greifen, um lebensgroße Porträts von sich selbst zu malen.

Der Workshop von Taring Padi hat stattgefunden, bevor das Kollektiv Schlagzeilen gemacht hat. Mit antisemitischen Motiven auf seinem inzwischen verhüllten Riesenbanner auf dem Friedrichsplatz sind die indonesischen Künstler und Aktivisten in den Fokus der überregionalen Aufmerksamkeit gerückt.

Jenseits des am Montagabend verdeckten Banners „People’s Justice“ ist Taring Padi an vielen Stellen auf der Ausstellung präsent. Das Hallenbad Ost ist als Archiv des Kollektivs zu verstehen, Arbeiten aus 20 Jahren sind dort versammelt – Plakate, Holzschnitte, Agitprop, Pappfiguren. Im Vorfeld der documenta hat Taring Padi in Kempten, Heidelberg oder Amsterdam solche „Wayang Kardus“ hergestellt – und in Kassel: im Sandershaus, einem Hostel mit Flüchtlingsunterkunft, Restaurant und Kulturprogramm, beim Verein Kolorcubes und bei den Streetbolzern. Da waren wir dabei.

Zuerst legen sich die Kinder auf die Pappen. Die hat alle das Kasseler Fahrradhaus Neddermann gesammelt und zur Verfügung gestellt – der Recycling-Gedanke der d15 kommt auch hier zum Tragen. Die Kinder wählen eine Position, so, wie sie sich wohlfühlen. Mitglieder des Streetbolzer-Teams, von Taring Padi, die zu zwölft nach Kassel gekommen sind, und Sobat-Sobat, die Kunstvermittler der documenta, zeichnen mit Kreide ihre Konturen auf. Die Umrisse malen die Kinder aus – als Selbstporträts.

Ein Kind bemalt eine Pappfigur in einem Workshop anlässlich der documenta fifteen in Kassel,
Kinder bemalen Pappfiguren in einem Workshop anlässlich der documenta fifteen in Kassel, so wie hier der elfjährige Hadis. © Mark-Christian von Busse

Sie könnten sich selbst ausdrücken, entscheiden, wie sie sich repräsentiert sehen wollen, und würden sich ihrer Individualität bewusst, sagt Hestu A Nugroho von Taring Padi: „Sie kommen sich selbst näher, riechen ihre Identität“, so formuliert er das. Sie entwickelten eine Vorstellung von sich selbst, ein intimer Vorgang: „My figure, my friend.“ Das Ziel sei die Produktion von 1000 Figuren. Den „Papp-Freunden“ vom Struthbachweg wird man an der documenta-Halle wieder begegnen.

Die Kinder sind mit Feuereifer dabei, ihre Papp-Abbilder fertigzustellen. Die „Taring Padis“ geben Hilfe, sorgen für den Feinschliff. Hestu A Nugroho erzählt derweil von den Ursprüngen des Kollektivs, das auf Partizipation und Protest setzt, Ende der 1990er in Yogjakarta. Ausgangspunkt war die Studentenbewegung in den Umwälzungen während des Sturzes des Suharto-Regimes. „Wir sind mit Ruangrupa befreundet“, erzählt er, „vielleicht sind wir noch ein bisschen älter.“

Die Wahrnehmung sei unterschiedlich. Während die Leiter der d15 eher in der „Hochkultur“ verankert seien, auf Kunstbiennalen ausstellen, sei der Taring-Padi-Stil „lowbrow“, anspruchslos, sagt Hestu A Nugroho. Ihre Kunst soll aufrütteln, Allianzen anzetteln, Solidarität zeigen. Ihr Platz ist auf der Straße, etwa bei „Kunstkarnevals“. Auch für Sonntag, 25. Juni, 15 Uhr, ist eine solche Parade geplant.

Sri Maryato, schneidet eine Figur aus, die Teil der documenta fifteen in Kassel ist.
Mitglieder von Taring Padi, hier Sri Maryato, schneiden die Figuren aus, die Teil der documenta fifteen in Kassel sind. © Mark-Christian von Busse

Die Taring-Padi-Mitglieder schneiden die bemalten Figuren nun mit Messern aus und befestigen sie mit Klebeband an langen Stöcken. Zahlreiche „Wayang Kardus“ stehen schon in einer Reihe. Bunt und vielfältig. Adil, Tolga, Hadis und viele andere. Lauter Individuen, bloß aus Pappe.

Mustafa Gündar ist Geschäftsführer der vielfach ausgezeichneten Streetbolzer. Die veranstalten in ganz Kassel Straßenfußballturniere. Im Februar 2020 haben sie ihr Domizil zwischen Nordstadtstadion und der Carl-Anton-Henschel-Ganztagsgrundschule bezogen. „Der Fußball ist unser Türöffner“, sagt Gündar. Darüber gewinnt das Team die Kinder auch für Bildungs- und Medienprojekte. Oder zum Hausaufgaben machen.

Mit Ruangrupa besteht schon ein längerer Austausch. „Die Kinder haben sonst keine Möglichkeit, sich mit Hochkultur zu beschäftigen.“ Nun sind sie an der documenta beteiligt. Und ein Kind fragt: „Können die jedes Jahr kommen?“

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion