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documenta in Kassel: Reaktionen auf erneuten Antisemitismus

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Von: Mark-Christian von Busse

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Journal von „Présence de femmes“ von 1988 zu Palästina: Abbildungen im Band vom „Archives des luttes des femmes en Algérie“ im Fridericianum.
Journal von „Présence de femmes“ von 1988 zu Palästina: Abbildungen im Band vom „Archives des luttes des femmes en Algérie“ im Fridericianum. © Leonie Krzistetzko

Nach neuen Antisemitismus-Vorwürfen werden Forderungen nach einem Abbruch der documenta laut. DIe Gesellschafter gehen da nicht ganz so weit.

Kassel – Die im Fridericianum ausgestellte algerische Broschüre von 1988 mit einer als antisemitisch kritisierten Bildsprache bei der Darstellung israelischer Soldaten hat weiter hohe Wellen geschlagen. Die Ausstellung „muss sofort unterbrochen werden“, forderte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, übte scharfe Kritik an der documenta: „Offensichtlich ist es unerheblich, wer dort die Geschäftsführung innehat.“ Die documenta-Gesellschafter Stadt Kassel und Land Hessen forderten, bis zu einer Kontextualisierung die strittigen Zeichnungen aus der Ausstellung zu entfernen.

Die Gesellschafter der documenta, Stadt Kassel und Land Hessen, fordern angesichts der darin enthaltenen antisemitischen Bildsprache eine geeignete Kontextualisierung der im Fridericianum ausgestellten Broschüre „Présence de Femmes“. Bis diese Einordnung angemessen vorgenommen sei, erwarten sie, dass die künstlerische Leitung die diskutierten Zeichnungen aus der Ausstellung nimmt. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth plädierte für eine zumindest zeitweilige Entfernung des Exponats.

Das Heft war 1988 in Algier veröffentlicht worden. Ausgestellt wird es im Fridericianum von der Initiative „Archives des luttes des femmes en Algérie“ („Archive der Frauenkämpfe in Algerien“). Nach Auffassung der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) enthalten die Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan Karkoutly bei den Darstellungen von durch Davidsterne als Israelis kenntlich gemachten Soldaten antisemitische Stereotype. Ein Soldat mit Hakennase wird von einer Frau mit hellen Haaren mit dem Knie gerammt, ein anderer zieht ein Kind am Ohr.

Die documenta hatte darauf verwiesen, dass das Werk bereits vorübergehend aus der Ausstellung entfernt und staatsanwaltschaftlich geprüft worden sei. Es sei als strafrechtlich nicht relevant eingestuft worden. „Die umgehende rechtliche Bewertung der Zeichnungen durch Externe war ein richtiger Schritt“, heißt es in einer Stellungnahme der Gesellschafter, doch die Frage, ob antisemitische Bildsprache vorliegt, sei leider lediglich intern bewertet worden. Es sei versäumt worden, eine Erläuterung des Archivmaterials vorzunehmen und die Besucherin, die die documenta darauf aufmerksam gemacht hatte, über das Ergebnis der Klärung zu informieren.

„Diese Vorgänge haben nicht unter der Verantwortung des Interimsgeschäftsführers Alexander Farenholtz stattgefunden“, betonen Stadt und Land. Farenholtz wolle die Versäumnisse dankenswerterweise nachholen.

Der Vorsitzende des Jüdischen Vereins Werteinitiative, Elio Adler, forderte Farenholtz zum Rücktritt auf. Fassungslos zeigt sich auch der Zentralrat der Juden: „Israelische Soldaten werden als Kinder- und Massenmörder dargestellt.“ Zu sehen sei auch die palästinensische Figur Handala, die als Allegorie des gewaltsamen Widerstands gegen Israel gelte und von der BDS-Bewegung als Logo benutzt werde.

Zentralrats-Präsident Josef Schuster erklärte, die Leitung der documenta tue weiter so, als ginge sie die anhaltende Diskussion über Antisemitismus, BDS und Israelhass nichts an. „Man muss sich fragen, wie weit wir in Deutschland sind, wenn diese Bilder als vermeintliche ‚Israelkritik‘ für gut befunden werden können.“ Die documenta werde als antisemitische Kunstschau in die Geschichte eingehen. Dass sie bis weiterlaufen kann, „erscheint kaum mehr vorstellbar“.

Unterdessen hat die FDP einen vorläufigen Stopp der Ausstellung verlangt. „Die neuerlichen Antisemitismus-Vorwürfe offenbaren einen Abgrund. Die documenta muss sofort unterbrochen werden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Die Vorfälle müssten zunächst aufgeklärt und die Ausstellung umfänglich überprüft werden: „Es kann nicht sein, dass die Ausstellung weiterhin finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt erhält, geöffnet ist und Besucher empfängt, während diese ungeheuerlichen Vorgänge nicht restlos aufgeklärt und unterbunden sind.“

Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, appellierte an die Stadt Kassel, das Land Hessen und den Bund, die documenta nicht weiter zu finanzieren.

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