documenta-Künstler sammeln Skateboards: Kollektiv Baan Noorg aus Thailand bittet um Spenden

Was hat Skateboard fahren mit lokaler Milchproduktion in Thailand zu tun? Für das Künstlerkollektiv Baan Noorg, das an der documenta fifteen teilnehmen wird, sehr viel.
Kassel – Die thailändischen Künstler wollen die Geschichte ihrer Heimat mit moderner Jugendkultur verbinden. Und sie wollen eine Brücke schlagen zwischen der documenta-Stadt Kassel und Nong Pho, 70 Kilometer westlich von Bangkok gelegen.
Dort mussten die Bauern aufgrund fallender Preise Ende der 1960er-Jahre vom Reisanbau als Haupteinnahmequelle auf die Milchkuhhaltung umstellen. „Viele kleine Bauernhöfe halten dort heute immer noch Kühe aus dem Familienerbe, obwohl sie nicht mehr vom Milchverkauf leben können“, erläutert die documenta-Pressestelle.
Das liege laut Baan Noorg auch daran, dass den Menschen Land, Wissen, Praktiken und Mittel fehlen, um effizient genug zu arbeiten. Fragen danach, wie diese kleinen Betriebe gerettet werden können und wie der Umstieg in eine neue Art von Landwirtschaft gelingt, treibe das Kollektiv Baan Noorg um.
Das wurde 2011 in dem in der Provinz Ratchaburi gelegenen Nong Pho gegründet – von jiandyin (Jiradej Meemalai und Pornpilai Meemalai) gemeinsam mit Lo Shih Tung, Hsu Chia Wei und Sakarin Krue-On. Letzterer hat bereits an der documenta 12 im Jahr 2007 teilgenommen. Damals war eine Kreidezeichnung des heute 57-Jährigen im Treppenhaus der Neuen Galerie zu sehen, Schlagzeilen machte vor allem sein Reisfeld am Hang vor Schloss Wilhelmshöhe („Terraced Rice Fields Art Project“).
Baan Noorg bedeutet Land, ländliche Gegend oder landeinwärts. Die Non-Profit-Künstlergruppe, die als „Lumbung-Künstler“ an der d15 teilnehmen wird, hat das Credo „Baan Noorg ist Zukunft ist jetzt“. Mitglieder wollen den Austausch und die Integration von Gemeinschaften fördern – lokal und global – und diese möglichst nachhaltig gestalten.
Eine Initiative ist das langfristig angelegte, interdisziplinäre Kunstprogramm day OFF LABoratory (OFF LAB), das soziale Verhältnisse sowohl theoretisch als auch praktisch zusammen mit Mitgliedern örtlicher Gemeinschaften wie etwa auch Mönchen oder Schuldirektoren in den Blick nimmt und sozialkritische Kunst erforscht und entwickelt.
Bei der Auftaktveranstaltung von „Skate to milk“ lud das Kollektiv Baan Noorg Skateboarder ein, für einen Tag zusammenzukommen. Die Jugendlichen skateten zu Livemusik und probierten sich selbst am Skateboard bauen. Und sie fuhren gemeinsam zu den Milchviehbetrieben von Nong Pho und verköstigten Milchprodukte.

Der Aktionstag war der Startpunkt zum künstlerischen Beitrag auf der Ausstellung in Kassel. Von sofort an bis zum 1. September 2022 können an zwei Orten in Kassel gebrauchte Skateboards für den künstlerischen Beitrag von Baan Noorg Collaborative Arts and Culture gespendet werden: im Laden Titus und in der Skatehalle Mr. Wilson. Es sei auch möglich, kaputte oder nur Teile von Skateboards zu bringen, erläutert die documenta.
Diese würden im September nach Thailand geschickt und bildeten eine weitere Verbindung zwischen Kassel und Nong Pho. Funktionstüchtige Teile der Skateboards sollten mit Do-it-yourself-Decks wieder zusammengebaut und an Kinder aus der örtlichen Gemeinde verteilt werden, außerdem würden daraus Erlöse für das lokale Skateboard-Programm generiert.
Beteiligt ist auch die von Baan Noorg gegründete Initiative NongpoKiDdee (NPKD) Social Enterprise. Das ist ein lokales Geschäftsmodell, das Betriebswirtschaftslehre mit interdisziplinären Methoden und Wissen vereinen will. „Sein Ziel ist es, durch die Herstellung von Produkten aus lokalen Rohstoffen wie Milch oder Dünger intellektuelle und finanzielle Nachhaltigkeit zu stärken“, so die documenta. Das Programm, das unter anderem vom Goethe-Institut Thailand unterstützt wird, soll nach der documenta fifteen fortgesetzt werden.
Skateshop Titus: Treppenstraße 8, Tel. 0561/7397673, titus.de/shops/kassel Mr. Wilson Skatehalle: Brandaustraße 1-3, Tel. 0561/ 287 90 791 kesselschmie.de