documenta-Vorbereitung: Nicht jedes Gerüst ist ein Kunst-Rätsel

Die documenta fifteen wirft ihre Schatten voraus: Am Kulturbahnhof und am Friedrichsplatz zeigen sich neue Spuren der Weltkunstschau
Kassel – Merkwürdige Gerüstbauten in Kassels Stadtbild können in diesen Tagen auf documenta-Geheimnissse hinweisen. Wer vor dem Kulturbahnhof jüngst einen mit Transparentplatten verkleideten Kubus hat emporwachsen sehen, vermutete aber häufig falsch: „Das wird keine Reisscheune“, stellt Martin Sonntag klar. Und auch kein anderer documenta-Ort.
Sonntag ist Geschäftsführer der Galerie Caricatura im Kulturbahnhof. Die macht zur documenta traditionell eine große Begleitschau mit Cartoons zum Zeitgeschehen – angesichts der Publikumsmassen in der Stadt „auch für uns die wichtigste Ausstellung“ mit Werken von etwa 80 Zeichnern. Am 11. Juni soll sie eröffnet werden.

In vergangenen documenta-Jahren fand die Karikaturenschau im Südflügel oder anderen angemieteten Räumen in Kulturbahnhofsnähe statt. Dass nun ein fliegender Ausstellungsbau direkt auf dem Vorplatz möglich wurde und die Fläche der Caricatura-Räume vis-à-vis verdoppelt, ist laut Sonntag der Deutschen Bahn als Geländeeingentümerin zu verdanken: „Die haben wirklich Interesse, dass hier was passiert.“
Viele der Cartoon-Künstler würden zu der Begleitschau mit dem Titel „Systemfehler2“ anreisen und sich besonders auf die Lumbung-Atmosphäre in der documenta-Stadt freuen, sagt Martin Sonntag. Denn: „Karikaturenzeichnen ist meist eine ziemlich einsame Tätigkeit.“

Wer vor dem Kulturbahnhof nicht nur den entstehenden Gerüstbau beachtet, sondern auch mal zu Boden blickt, stellt fest, dass der Rainer-Dierichs-Platz sehr wohl zu den Ausstellungsorten der documenta fifteen gehört. An einigen Stellen ist der grünliche Platzbelag mit Badelaken-großen grauen Feldern übermalt, die wiederum mit simplen Graffiti-Piktogrammen und Sprachspielereien versehen sind. Hier stellen sich erste Wiedererkennungseffekte des Kasseler Kunstsommers 2022 ein: Die Bodenmalereien sind eindeutig Stil und Werk von Dan Perjovschi, der schon mit den schwarz grundierten Säulen vor dem Fridericianum Akzente gesetzt hat. Bisher noch unbeschriftete graue Felder weisen darauf hin, dass die Arbeit des rumänischen Künstlers auf dem Bahnhofsvorplatz noch nicht abgeschlossen ist.
Am Friedrichsplatz, in Sichtweite von Perjovschis dortigem Ausstellungsbeitrag, ist auf dem Wiesenstück vor der documenta-Halle in den vergangenen Tagen ein weiterer rätselhafter Gerüstbau entstanden. Der Konstruktion nach könnte es sich um einen Trägerbau für eine Bildschirm- oder Projektionsfläche handeln. Das bleibt einstweilen aber Spekulation, eine Bitte der HNA um Auskunft zu dem Skelettbau beantwortete die documenta-Pressestelle nicht. (Axel Schwarz)