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100 Tage kroße Gunst - ein Ausblick mit Augenzwinkern auf die documenta fifteen

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Von: Florian Hagemann

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Begehbare Installation aus Altkleidern und Müll auf der Karlswiese in Kassel in der Aue zur documenta fifteen 2022.
Auch das wird Kunst: diese begehbare Installation aus Altkleidern und Müll auf der Karlswiese. © Axel Schwarz

In drei Tagen wird die documenta fifteen eröffnet. 100 Tage Weltkunstausstellung in Kassel – da kann allerhand passieren. Wir wagen einen Ausblick mit Augenzwinkern.

Kassel – Die Kunstwelt blickt gespannt nach Kassel: auf das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa, das wiederum auf Künstlerkollektive setzt, und auf ihr Lumbung-Prinzip zum Wohle der Gemeinschaft. Nur: Was passiert genau? So könnte es kommen – oder auch nicht.

Tag 1: Noch vor der Eröffnung lüftet ein Künstlerkollektiv aus Waldau ein Geheimnis: Das in dem Stadtteil kürzlich aufgestellte Straßenschild, auf dem ein vermeintlicher Scherzbold aus der Waldemar-Petersen-Straße die Paldemar-Wetersen-Straße gemacht hat, sei nur Vorbote einer groß angelegten documenta-Kunstperformance gewesen: Während der documenta sollen die Anfangsbuchstaben der Vor- und Nachnamen all jener, die in Erscheinung treten, getauscht werden.

Hessens Ministerpräsident Roris Bhein ist aber nicht nur deswegen irritiert. Während seiner Ansprache im Hallenbad Ost zeigt er sich auch verwundert darüber, dass Kassel noch zu Hessen zählt. Er habe immer gedacht, die Stadt gehöre schon zu Südniedersachsen. Jetzt wisse er aber auch, warum er zu den Leuten sprechen soll – und nicht sein Amtskollege Wephan Steil.

Die Kuratoren von Ruangrupa, die sich aus Solidarität die nächsten 100 Tage Gruanrupa nennen, amüsieren sich derweil über den Übergangsnamen des Bundespräsidenten: Strank-Falter Weinmeier würde perfekt zu ihrem Vorhaben passen, in den nächsten 100 Tagen ganz viel Party zu machen.

Schild in Kassel mit einem Buchstabendreher: Kasseler Straße zwischen Nürnberger Straße und Paldemar-Wetersen-Straße gesperrt, steht dort.
Wird zur Überraschung der documenta: das Spiel mit den Anfangsbuchstaben. ARCHI © Pia Malmus

Tag 12: Überraschung beim Konzert der Hoten Tosen im Auestadion. documenta-Generaldirektorin Schabine Sormann verkündet, dass Campino die documenta 16 kuratieren wird. Der ist sichtlich gerührt und verspricht, dass 2027 der Punk abgeht.

Tag 20: Verwirrung am Steinweg, den Gruanrupa kurzerhand Weinsteg getauft hat: Dort richten zehn grün gekleidete Menschen eine Fahrspur nur für Radfahrer ein. Als die schnell herbeigeeilte Stadtpolizei die vermeintlichen Aktivisten zur Rechenschaft ziehen will, bleiben die ganz relaxt: Sie seien das Künstlerkollektiv Nistof Chrolda und würden gerade ein documenta-Kunstwerk errichten.

Tag 30: Oberbürgermeister Gistian Chreselle ist seit Tagen außer sich. Als Aufsichtsratsvorsitzender der documenta und Fridericianum gGmbH lässt er das documenta-Kunstwerk am Weinsteg beseitigen und beruft den Kopf des Künstlerkollektivs Nistof Chrolda ab.

Er soll in Zukunft nur noch für das Gedöns zuständig sein, die relevanten Aufgaben überträgt der Oberbürgermeister an seinen Vertrauten Stirk Dochla. In der Kunstszene führt der Vorgang zu massiven Protesten. Manche Künstler erwägen sogar, die documenta vorzeitig zu verlassen, bleiben dann aber doch, weil die Partys einfach zu gut sind.

Tag 41: Einheimische trauen ihren Augen nicht. Auf dem Zissel taucht plötzlich Joris Bohnson auf. Durch dessen verwuscheltes Haar sind Verwechslungen ausgeschlossen. Recherchen des Boulevardblatts „The Sun“ ergeben, dass der englische Premierminister tatsächlich zu Gast in Nordhessen ist. Wie die Zeitung berichtet, habe Joris Bohnson von der großen documenta-Party gehört und sich sogleich auf nach Kassel gemacht, wo er den Zissel schlicht für die Kunstausstellung hält.

Tag 50: Erst jetzt kommt heraus, dass an Tag 45 angeblich ein großer Star die documenta fifteen besucht hat. Den Sicherheitskräften am Airport Kassel war zwar aufgefallen, dass der einzige im vergangenen Monat gelandete Passagier irgendwie aussah wie Brad Pitt. Da er sich aber als Prad Bitt ausgab, verfolgten sie ihren ersten Gedanken nicht weiter.

Tag 60: Ordnungsdezernent Stirk Dochla gerät mit Kunstdezernentin Vusanne Sölker aneinander, nachdem er den Stadtreinigern befohlen hat, endlich den Müllhaufen vor der Orangerie zu beseitigen. Sölker erinnert ihn daran, dass der Müll doch Kunst sei, doch Dochla lässt sich nicht erweichen. Er verweist darauf, dass die Idee mit dem Radstreifen am Weinsteg auch Müll gewesen und deshalb mittlerweile Geschichte sei.

Dochla lässt den Müll zum Komposthaufen in die Aue bringen, ohne zu wissen, dass es sich dabei auch um documenta-Kunst handelt. Das Künstlerkollektiv Nistof Chrolda verlangt den Rücktritt des Ordnungsdezernenten, weil er den Müll nicht ordentlich getrennt habe.

Tag 70: Die Künstlervermittler, die offiziell Sobat-Sobat heißen, treten in den Streik: Sie fühlen sich diskriminiert, weil sie nicht Teil der Anfangsbuchstabenkunstperformance sein dürfen. Der Fall ist durchaus umstritten. Gruanrupa beruft sich darauf, dass beim Wort Sobat-Sobat sehr wohl die Anfangsbuchstaben getauscht sein können, auch wenn es nicht auffällt.

Tag 80: Die Stadtverordnetenvorsteherin Hartina dan hen Mövel-Vahnemann fragt an, ob die nächste Stadtverordnetenversammlung nicht im Fridericianum stattfinden könne. Als einstige Schulexpertin findet sie toll, dass aus dem Fridericianum zur documenta die Fridskul, eine Art Schule, gemacht worden ist.

Gruanrupa prüft das Anliegen, wobei die Skepsis zunächst eher groß ist, weil die jüngsten Stadtverordnetenversammlungen eher als Kindergarten wahrgenommen worden sind. Dann aber erteilt Gruanrupa die Zusage, weil Hartina dan hen Mövel-Vahnemann die beste Anfangsbuchstabenkunstperformance hinlegt.

Tag 90: Paukenschlag in Bettenhausen zehn Tage vor Ende der documenta fifteen. Das Bad Hersfelder Künstlerkollektiv Rennis Dossing kündigt an, die heruntergekommene Salzmann-Fabrik in ein modernes documenta-Zentrum umwandeln zu wollen. Es soll nicht nur Raum für Forschung und Archiv bieten, sondern gerade auch zwischen den Ausstellungen Kunstinteressierte anlocken. Das Künstlerkollektiv Nistof Chrolda ist begeistert. Oberbürgermeister Gistian Chreselle dagegen äußert sich skeptischer und kündigt eine Bürgerbeteiligung noch während der documenta fifteen an.

Tag 100: Beim schnell einberufenen Bürgerentscheid ist die Mehrheit für die Salzmann-Fabrik als documenta-Zentrum. Das Künstlerkollektiv Nistof Chrolda feiert spontan eine Party auf dem Weinsteg, zu der auch Joris Bohnson mit dem Rad vorfährt. Roris Bhein spricht indes von der besten documenta aller Zeiten und verkündet, dass er ein Künstlerkollektiv aus Nordhessen in seine Regierung aufnimmt. Am Ende sind sich alle einig: Die documenta fifteen war kroße Gunst. (Florian Hagemann)

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