„Citizenship“: Kommt Kunstschiff der documenta überhaupt noch nach Kassel?

Das Kunstschiff Citizenship sollte zur documenta nach Kassel fahren, musste aber frühzeitig Halt machen. Im Sommer soll die Reise weitergehen, allerdings mit unbekanntem Ziel.
Kassel – Als Anfang Juni 2022 das Floß des Zentrums für Kunst und Urbanistik (ZK/U) in Berlin losfuhr, war das Ziel der „Citizenship“ klar: die documenta fifteen in Kassel. Eigens dafür war am Hiroshima-Ufer der Fulda eine Art Gestell errichtet worden, auf dem das auf den Kopf gestellte und zum Kunstschiff ausgebaute Dach eines Gebäudes seinen Platz finden sollte.
Fast ein Jahr später ist die Weltkunstausstellung längst vorbei, das Gestell am Fulda-ufer ist abgebaut. Und die Citizenship (zu deutsch: Bürgerschafts-Schiff) liegt nach monatelanger Zwangspause wegen des geringen Weser-Wasserstandes noch immer auf dem Doktorsee bei Rinteln an. Im Sommer soll seine Reise endlich weitergehen, kündigt das Zentrum an.
Allerdings versehen die Berliner ihre Ankündigung mit dem Hinweis, das Ziel der Weiterreise sei „noch unbestimmt“. Ungewiss ist damit, ob das Kunstschiff von seinem ursprünglichen Kurs abkommt und womöglich überhaupt nicht mehr nach Kassel kommen wird. Offen lässt dies auch das ZK/U auf Nachfrage unserer Zeitung. „Aktuell kann ich leider keine weiteren offiziellen Informationen zur Weiterreise der Citizenship geben“, erklärt dazu Elisa Georgi, die Sprecherin des Zentrums für Kunst und Urbanistik.
Ursprünglich war die Ankunft des Citizenships in der documenta-Stadt für 22. Juli 2022 geplant gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hing das Schiff bereits auf dem See bei Rinteln fest. Die Crew und die documenta hofften zunächst auf die Weiterfahrt nach Kassel. Doch die Trockenheit des Sommers hatte den Pegel der Weser so drastisch sinken lassen, dass die Behörden diese untersagten. Eine Fortsetzung der Reise war deshalb bis zum Ende der documenta fifteen am 24. September nicht möglich.
Wenige Tage vor Ende der Weltkunstausstellung war klar geworden, dass die Citizenship es aus eigener Kraft nicht mehr rechtzeitig nach Kassel schaffen wird. Das Boot, das sich vor allem mit Solarenergie sowie einer von Fahrrädern angekurbelten Schiffsschraube fortbewegt, war mit lediglich ein bis zwei Stundenkilometern unterwegs. Die 150 Kilometer Wasserweg zwischen Doktorsee und Kassel – noch dazu auf der Weser stromaufwärts – waren da nicht mehr drin. Möglich wäre das nur gewesen, wenn jemand das Kunstschiff in Schlepptau genommen und bis nach Hann. Münden gezogen hätte. Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) erklärte sich dafür aber nicht zuständig. Und ein anderer Schlepper ließ sich auf die Schnelle nicht finden.
So blieb die Citizenship bei Rinteln anliegen – und sie liegt dort bis zum heutigen Tage. Teile der Crew feierten zum Ende der Weltkunstausstellung an der Fulda in Kassel den Abschluss des Projekts. Ohne Boot. Dass das in Berlin zur documenta fifteen gebaute Kunstschiff nicht während der Ausstellung ankam, wurde in Kassel sehr bedauert.
Die Initiatoren und Organisatoren des Zentrums in der Hauptstadt schätzten das schon im vergangenen Jahr weniger dramatisch ein. „Wir können uns auch mit der Idee anfreunden, dass das Scheitern Teil der Botschaft ist“, erklärte Matthias Einhoff vom ZK/U dazu im September gegenüber der HNA. Die Abenteuer der Citizenship zeigten schicksalhaft die aktuelle Klimasituation. So sei das Projekt, bei dem es auch um nachhaltige Mobilität gehe, letztlich durch die Dürre aufgehalten worden.
(Andreas Hermann)