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Antisemitismus auf der documenta: Umstrittenes Kunstwerk verhüllt

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Von: Matthias Lohr

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documenta fifteen: Kunstwerk am Friedrichsplatz wegen Antisemitismus-Kritik verhüllt.
Blick auf die verhüllte Figurendarstellung People‘s Justice (2002) des Kollektivs Taring Padi.. © Swen Pförtner

Ein documenta-Kunstwerk auf dem Friedrichsplatz zeigt antisemitische Motive. Das Werk wird verhüllt. Der Eklat könnte für die documenta Folgen haben. 

Kassel – Nach der monatelangen Antisemitismusdebatte gibt es neue und schwerwiegendere Vorwürfe gegen die documenta: Ein großformatiges Transparent des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf dem Kasseler Friedrichsplatz zeigt ganz offensichtlich antisemitische Motive.

Unter anderem die israelische Botschaft in Berlin forderte die documenta-Leitung auf, das Kunstwerk sofort zu entfernen. Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck teilte mit, er wolle die Staatsanwaltschaft einschalten.

Kunstwerk des indonesischen Kollektivs Taring Padi auf dem Friedrichsplatz Kassel bei der documenta.
Kunstwerk des indonesischen Kollektivs Taring Padi auf dem Friedrichsplatz Kassel bei der documenta. © Kathrin Meyer

Noch am Montagabend (20. Juni) wurde das Kunstwerk verhüllt. Zahlreiche Besucher und Schaulustige waren auf den Friedrichsplatz gekommen, um noch einmal ein Foto zu machen. Auch Iswanto Hartono, eines der Mitglieder des indonesischen Kollektivs Ruangrupa, das die documenta fifteen kuratiert, war unter den Gästen.

documenta in Kassel: Kunst auf Friedrichsplatz sorgt für Entrüstung

In einem am Abend verbreiteten Statement entschuldigen sich die Künstler des indonesischen Kollektivs Taring Padi für Verletzungen, die durch ihr Werk entstanden sind. Das Banner mit dem Titel „People’s Justice“ aus dem Jahr 2002 sei Teil einer Kampagne gegen Militarismus und die Gewalt, die die Künstler während der 32-jährigen Militärdiktatur Suhartos in Indonesien erlebt haben. Alle auf dem Banner abgebildeten Figuren würde Bezug nehmen auf eine im politischen Kontext Indonesiens verbreitete Symbolik - etwa die korrupte Verwaltung. Daher würden etwa Soldaten als Schweine dargestellt.

Geschäftsführung und die Künstlerische Leitung von Ruangruppa hätten sich gemeinsam entschieden, die Arbeit am Friedrichsplatz zu verdecken und eine Erklärung dazu zu installieren.

Das Kunstwerk von Taring Padi vor der documenta-Halle zeigt ein wimmelbildartiges Schlachtengemälde. Unter anderem ist eine Figur zu erkennen, die Beobachter an „Stürmer“-Karikaturen aus der Nazizeit erinnert. Auf dem Hut des Mannes prangt ein SS-Runenschriftzug. Ein Schweinegesicht trägt einen Helm des israelischen Geheimdienstes Mossad. Auch die Geheimdienste anderer Länder werden entsprechend dargestellt.

documenta in Kassel: Hessische Kunstministerin Dorn spricht von „antisemitischer Bildsprache“

Auch die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) hatte den Eindruck, dass hier eine „antisemitische Bildsprache vorliegt“, wie sie mitteilte. Sie versicherte, dass „antisemitische Ressentiments und Antisemitismus auf der documenta nicht zum Ausdruck kommen dürfen; das haben auch die documenta und das Kuratorenkollektiv Ruangrupa selbst immer wieder betont“.

Zum 15. Mal findet die documenta 2022 in Kassel statt – und zwar vom 18. Juni bis zum 25. September. Alle wichtigen Infos zur Weltkunstausstellung im Überblick.

Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, forderte gegenüber unserer Zeitung die sofortige Abhängung: „Es wird eine offene und eindeutige Form des Antisemitismus gezeigt – und das auf einem zentralen Platz.“ Er warnte aber auch vor einer Vorverurteilung von Künstlern aus der islamischen Welt. Auf der documenta gebe es Tausende Kunstwerke: „Diese dürfen jetzt nicht in ein schlechtes Licht gerückt werden.“

Auch Ruangrupa-Mitglieder beobachteten die Verhüllung. Aus ihrem Umfeld war zu hören, dass es für sie sehr schmerzhaft sei. Sie wollen das weitere Vorgehen heute diskutieren. Es scheint nichts ausgeschlossen. (Matthias Lohr)

Lesen Sie auch den Kommentar von HNA-Redakteur Matthias Lohr zu dem Thema.

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