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Streit über documenta-Produkte: Kasseler Modefirma klagt über Praktiken der Kunstschau

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Von: Matthias Lohr

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Diese Prototypen stellte Melawear für die documenta in Kassel her: Firmengründer Henning Siedentopp fühlt sich von der Kunstschau hingehalten. Der Vertrag über Merchandising-Artikel kam nicht zustande. Die documenta bezeichnet dies als nicht ungewöhnlich.
Diese Prototypen stellte Melawear für die documenta in Kassel her: Firmengründer Henning Siedentopp fühlt sich von der Kunstschau hingehalten. Der Vertrag über Merchandising-Artikel kam nicht zustande. Die documenta bezeichnet dies als nicht ungewöhnlich. © Andreas Fischer

Die Kasseler Modefirma Melawear sollte Merch-Produkte für die documenta herstellen. Dazu kam es nicht. Das sei nicht ungewöhnlich, sagt die documenta. Der Firmen-Chef ist sauer.

Kassel – Für die Firma Melawear sollte diese documenta eine besondere werden. Das Modelabel aus Kassel sollte 15 000 Shirts, Hoodies und Stofftaschen als Merchandising-Produkte für die Weltkunstschau liefern – alles mit Fairtrade- und Bio-Siegeln in Indien produziert. Ein Jahr lang habe man deswegen mit der documenta zusammen gearbeitet, doch die Artikel für die documenta-Besucher liefern nun andere. Und Firmengründer Henning Siedentopp klagt über die Praktiken der Kulturinstitution.

Seit Herbst 2020 hätten seine Mitarbeiter sehr viel Zeit und Arbeitskraft in das Projekt gesteckt. Im November 2021 habe die documenta mitgeteilt, dass der Vertrag fertig sei und nur noch juristisch abgeklärt werden müsse, wie eine E-Mail zeigt. Doch der Kontrakt kam ebenso wenig zustande wie ein Provisionsvertrag. „Die documenta hat uns als kleines Unternehmen ins finanzielle Risiko gedrückt. Unser Aufwand für die Entwicklung des Merch beläuft sich auf mehr als 20 000 Euro, bei dem wir nun ohne Ertrag dastehen“, klagt Siedentopp, dessen 24-Mitarbeiter-Firma sich mit nachhaltiger Mode einen Namen gemacht hat: „Das ist das Gegenteil dessen, wofür die Leitlinien von Ruangrupa stehen.“

Kritik an documenta-Vorgehen in Kassel: Arbeitet kaufmännische Abteilung unprofessionell?

Den künstlerischen Leitern der documenta fifteen, mit denen man nur ganz am Anfang zu tun hatte, macht der Unternehmer keinen Vorwurf: „Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, wie unprofessionell die kaufmännische Abteilung arbeitet.“

Für die documenta ist es dagegen „eine bedauerliche, aber keine ungewöhnliche Entwicklung, dass Vertragsverhandlungen nicht immer zum Erfolg führen“, wie die Pressestelle mitteilt. Man sei zwar von den Produkten überzeugt gewesen, aber wegen „teilweise schwieriger Vertragsverhandlungen, zwischenzeitlichen Unstimmigkeiten durch die Bewerbung einer vermeintlichen Partnerschaft noch während der Vertragsverhandlungen sowie insbesondere kurzfristig erhöhten Konditionen“ habe man sich umentschieden.

Bei Melawear fühlt man sich von der documenta unnötig hingehalten. In einer weiteren E-Mail aus dem Oktober hatte man ihm mitgeteilt, dass er die Vereinbarung bis Mitte November erhalte, „erfahrungsgemäß dürfte diese dann unterschriftsreif sein“, stand dort. Siedentopp vermutet sogar, „dass sie unsere Arbeitsergebnisse und gemeinsam entwickelten Designs klauen werden, um einen Merch mit minderer Qualität anzubieten“. Und er sagt: „Unser Fall ist beispielhaft für die Zusammenarbeit der documenta mit heimischen Unternehmen.“

Kassel: documenta entscheidet sich für anderes Merch-Unternehmen

Bei der documenta versteht man die Kritik nicht und versichert: Das Design, das auf Merch-Artikeln verwendet wird, stamme von den Designern der Kunstschau. Vor einigen Wochen habe man sich für ein anderes Unternehmen entschieden, das ebenfalls auf fairen Handel setze und mit Bio-Baumwolle arbeite. Siedentopp dagegen sagt: „Kein Unternehmen kann jetzt noch nachhaltig Merch herstellen.“

Nachhaltigkeit, das haben die documenta-Macher immer wieder betont, sei ihnen besonders wichtig. So arbeite man „überwiegend mit kleinen und mittelständischen Unternehmen“ zusammen – viele stammten aus der Region. So stellen die Baunataler Werkstätten Gürteltaschen aus alten Jeans her. Und das Kasseler Modelabel Soki produziert bunte Shorts und Täschchen. All das werde es spätestens zu Beginn der documenta im Ruruhaus zu kaufen geben.

Melawear-Produkte werden Besucher auf der documenta zwar nicht kaufen, aber immerhin sehen können: Für die Mitarbeiter der Kunstschau hat die Firma mehrere Tausend T-Shirts produziert. (Matthias Lohr)

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