1. Startseite
  2. Kultur
  3. documenta

Keine Ermittlungen nach documenta in Kassel: Staatsanwaltschaft lehnt Einleitung von Verfahren ab

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Kathrin Meyer

Kommentare

Die Staatsanwaltschaft Kassel hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung bei der documenta abgelehnt.

Kassel – Der Anfangsverdacht wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung hatte sich unter anderem gegen die Künstlergruppe Taring Padi, die frühere documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann, Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, das Kuratorenkolletiv Ruangrupa, den damaligen Vorsitzenden des documenta-Forums Jörg Sperling, Staatsministerin Claudia Roth und den Interims-Geschäftsführer der documenta Alexander Fahrenholtz gerichtet, heißt es in einem Schreiben an die Anzeigensteller, das der HNA vorliegt.

Die Staatsanwaltschaft Kassel hatte Ende Juni vergangenen Jahres bestätigt, dass wegen der Antisemitismusvorwürfe die Kunstwerke „People’s Justice“ des indonesischen Kollektivs Taring Padi und „Guernica Gaza“ des Palästinensers Mohammed Al Hawajri geprüft werden. Ein Sprecher sagte damals, es werde bewertet, ob ein Anfangsverdacht strafbaren Verhaltens gegeben sei. Zudem seien mehrere Strafanzeigen eingegangen.

Erst verhüllt, dann abgebaut: Banner „People’s Justice“ von Taring Padi auf dem Friedrichsplatz. Archi
Erst verhüllt, dann abgebaut: Banner „People’s Justice“ von Taring Padi auf dem Friedrichsplatz. © Andreas Fischer

Antisemitismusvorwürfe bei documenta in Kassel: Vorwürfe der Volksverhetzung

In dem vorliegenden Schreiben an die Anzeigensteller, das auf den 12. April datiert ist, heißt es, der Vorgang umfasse Strafanzeigen von 25 Bürgern – darunter auch Vertreter jüdischer Institutionen, Verbände und israelitischer Kultusgemeinden sowie Nachfahren von Holocaust-Opfern und -Überlebenden. Die Anzeigensteller würden insbesondere den Vorwurf der Volksverhetzung erheben. Nach der Begründung der Staatsanwaltschaft sei eine Strafbarkeit wegen eines solchen Delikts aber nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Einer Beleidigung stehe entgegen, „dass die Künstlergruppe und Kuratorenschaft nicht ausschließbar einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen ist, dass die Darstellungen von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt seien“.

Kunstwerk wurde nach Protesten entfernt

Bei der Kasseler Kunstschau waren auf einem riesigen Wimmelbild der indonesischen Künstlergruppe „Taring Padi“ antisemitische Darstellungen entdeckt worden. Nach öffentlichen Protesten wurde das Bild „People’s Justice“ entfernt. Die Serie „Guernica Gaza“ von Mohammed Al Hawajri setzt bereits im Titel die Militäraktionen Israels im Gazastreifen mit dem Bombardement der spanischen Stadt Guernica durch die deutsche Luftwaffe im Jahr 1937 gleich.

Documenta Kassel: Kunstwerke bereits an verschiedenen Orten der Welt ausgestellt - Tatvorsatz fehlt

Die Kunstwerke seien bereits an verschiedenen Orten der Welt ausgestellt worden, ohne dass es zu strafrechtsrelevanten Beanstandungen gekommen wäre. Bezüglich der anderen Angezeigten kommt die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss, dass die Abläufe ebenso zu bewerten seien. Entscheidend sei, dass die Behauptung, die Kunst im Vorfeld keiner Prüfung unterzogen zu haben, nicht zu widerlegen sei. Insofern fehle es „an der Erweislichkeit des Tatvorsatzes“. (Kathrin Meyer)

Das sagt die documenta

Die aktuelle Entscheidung der Staatsanwaltschaft Kassel, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung bei der documenta abzulehnen, kommt für uns nicht überraschend, teilt auf Anfrage eine Sprecherin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH mit. Sie zeige die Problematik im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus im Feld der Kunst, die von der Kunst- und Meinungsfreiheit profitiert. Das Gutachten im Auftrag der Kulturstaatsministerin zur Kunstfreiheit von Christoph Möllers hätte bereits deutlich gemacht, dass uns die Kunstfreiheit viel zumutet und selbst antisemtitische und rassistische Äußerungen nicht sanktioniert. Es habe auch deutlich gezeigt, dass eine Vorabprüfung der Kunst nicht die Lösung sein kann, heißt es weiter. Umso mehr brauche es gerade auch in der Kunst und bei der documenta eine klare Haltung und ein entschlossenes Handeln gegen jede gruppenspezifische Form der Menschenfeindlichkeit. Das habe im Sommer gefehlt. „Antisemitismus und Rassismus haben auf einer documenta keinen Platz“, so die Sprecherin. Die Aufgabenstellung bleibe komplex und beschäftige bei der Aufarbeitung der Ereignisse des vergangenen Sommers – sowohl bei der documenta wie in der gesamtgesellschaftlichen Debatte: „Wie können wir der öffentlichen Präsentation antisemitischer Symboliken, Bilder und Gedanken entschieden begegnen, ohne Kunst und Ausstellungen vorab zu zensieren, wie können wir Diskriminierung entschlossen begegnen und Kunstfreiheit nicht gefährden?“

Der Abschlussbericht des Expertengremiums zur documenta fifteen hatte zuletzt noch scharfe Kritik geäußert: Die documenta habe als Echokammer für Antisemitismus fungiert.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion