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Kunstattacke auf documenta: Schwere Vorwürfe gegen Leiter

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Von: Matthias Lohr

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Diffamierend und geschmacklos: So bewertet die documenta die Slogans der Gruppe Pixelhelper, die am Sonntagabend am Ruruhaus und an Gebäuden auf dem Friedrichsplatz zu sehen waren.
„Diffamierend und geschmacklos“: So bewertet die documenta die Slogans der Gruppe Pixelhelper, die am Sonntagabend am Ruruhaus und an Gebäuden auf dem Friedrichsplatz in Kassel zu sehen waren. © Dirk Martin Heinzelmann / Pixelhelper

Mit einer Lichtaktion haben Aktionskünstler der documenta Antisemitismus vorgeworfen. Die Leiter der Künstlergruppe Ruangrupa seien außerdem homophob, heißt es.

Kassel – Oliver Bienkowski hat sich schon mit vielen angelegt. Seit Jahren strahlt der aus Kassel stammende Lichtkünstler und Gründer der Künstlergruppe Pixelhelper Gebäude mit Motiven an. So warf er 2016 aus Protest gegen die Verurteilung regierungskritischer Journalisten in Istanbul ein Bild des Präsidenten Erdogan an die Wand der türkischen Botschaft in Berlin.

Auch gegen den US-Geheimdienst NSA und die „menschenunwürdige Unterbringung“ von Flüchtlingen protestierte der Guerilla-Künstler schon. Nun legt sich Bienkowski mit der documenta und Ruangrupa an, dem indonesischen Künstlerkollektiv, das die Kunstschau leitet.

Am Sonntagabend (12. Juni) warf er Projektionen auf das Ruruhaus und andere Gebäude auf dem Friedrichsplatz. Dort prangte dann der Slogan: „ruangrupa sind homophob und antisemitisch.“ Und: „Hitler mag ruangrupa.“ Sowie: „Achtung! Juden nicht erwünscht.“ Bilder davon teilte Bienkowski bei Twitter, wo die Pixelhelper immerhin fast 40 000 Follower haben.

Aufregung vor documenta in Kassel: „Vergleiche sind absolut geschmacklos und inakzeptabel“

Auch bei der documenta hat man die diffamierenden Parolen zur Kenntnis genommen. Eine Sprecherin teilt auf Anfrage mit: „Die Projektionen und darin gezogenen Vergleiche und diffamierenden Äußerungen sind absolut geschmacklos und inakzeptabel.“ Weitere Schritte würden geprüft.

Bei einer früheren Aktion skizzierten die in Magdeburg ansässigen Pixelhelper ihr dadaistisches Kunstverständnis so: „Kunst muss einen Schmerz auslösen, provozieren und rebellieren.“ Mit juristischen Konsequenzen rechnet Bienkowski nicht, wie er gegenüber der HNA erklärt. Und er legt noch einmal nach. Der ehemalige documenta-Künstler Joseph Beuys „würde sich heute im Grabe umdrehen bei der Auswahl eines Künstlerkollektives, das aus einem Land kommt, wo Homosexuelle gejagt und massakriert werden“.

Seiner Ansicht nach werde die documenta fifteen „von Antisemiten und homophoben Islamisten geführt, die jüdisches Leben als schwule Besatzungsmacht abtun in einem aus Ihren Augen unteilbaren Palästina“. Die Hardliner aus Indonesien und Palästina würden erst zufrieden sein, wenn alle Israelis im Meer ertrunken seien. Dies färbe auf die Künstlerkollektive ab.

Protest zur documenta Kassel: „Angebliche Judenfeindlichkeit der Kasseler Kunstschau“

Vor einigen Wochen sorgte sich der TV-Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt um die documenta. Im HNA-Podcast erzählte der gebürtige Kasseler, er habe gelesen, die künstlerischen Leiter der documenta hätten sich antisemitisch geäußert. Er hoffe, dass sie das zurückgenommen hätten.

Das mussten sie natürlich nicht, denn das indonesische Künstlerkollektiv hat sich nicht antisemitisch geäußert. Vielmehr hat das Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus sehr pauschale Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta erhoben. Seitdem wird kaum über Kunst geredet, sondern über die angebliche Judenfeindlichkeit der Kasseler Kunstschau.

Trauriger Tiefpunkt neben einem Einbruch in die Werner-Hilpert-Straße 22, wo ein palästinensisches Kollektiv ausstellen wird, ist nun die Aktion der Künstlergruppe Pixelhelper. Dessen Gründer Oliver Bienkowski hat sich bislang mit ökologischen und sozialen Aspekten beschäftigt. Angetrieben sei er von einem „Fairness- und Teilhabe-Gedanken“, heißt es. Nun diffamiert er mit blinder Wut die documenta seiner Heimatstadt, Ruangrupa und nebenbei noch einen Großteil der muslimischen Welt, der er pauschal Antisemitismus und Homophobie unterstellt. (Matthias Lohr)

Der Kommentar

Vor einigen Wochen sorgte sich der TV-Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt um die documenta. Im HNA-Podcast erzählte der gebürtige Kasseler, er habe gelesen, die künstlerischen Leiter der documenta hätten sich antisemitisch geäußert. Er hoffe, dass sie das zurückgenommen hätten.

Das mussten sie natürlich nicht, denn das indonesische Künstlerkollektiv hat sich nicht antisemitisch geäußert. Vielmehr hat das Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus sehr pauschale Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta erhoben. Seitdem wird kaum über Kunst geredet, sondern über die angebliche Judenfeindlichkeit der Kasseler Kunstschau.

Trauriger Tiefpunkt neben einem Einbruch in die Werner-Hilpert-Straße 22, wo ein palästinensisches Kollektiv ausstellen wird, ist nun die Aktion der Künstlergruppe Pixelhelper. Dessen Gründer Oliver Bienkowski hat sich bislang mit ökologischen und sozialen Aspekten beschäftigt. Angetrieben sei er von einem „Fairness- und Teilhabe-Gedanken“, heißt es. Nun diffamiert er mit blinder Wut die documenta seiner Heimatstadt, Ruangrupa und nebenbei noch einen Großteil der muslimischen Welt, der er pauschal Antisemitismus und Homophobie unterstellt.

Die Slogans, die am Montagabend auf dem Friedrichsplatz zu sehen waren und per Twitter in die Welt gesandt wurden, sind verleumderisch und historisch obszön. Wer legitime Kritik von vertriebenen Palästinensern an der israelischen Besatzungspolitik mit dem Judenhass von Adolf Hitler in Verbindung bringt, agiert geschichtsrevisionistisch und verhöhnt auch die Opfer der Shoah.

Die große Hoffnung, die viele mit der documenta fifteen verbanden, war ein neuer Blick auf die Welt – nämlich der aus dem globalen Süden. Ernüchternd ist, dass viele Deutsche dafür nicht bereit zu sein scheinen.

Dieser Konflikt könnte auch das Eröffnungswochenende bestimmen. Für Samstag sind gleich zwei Kundgebungen in der Innenstadt angekündigt – eine gegen Antisemitismus und eine gegen die israelische Besatzungspolitik. Es wird dann hoffentlich erkenntnisreicher als der beschämende Kunstprotest von Pixelhelper. (Matthias Lohr)

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