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Multispezies-Führungen: Menschen und ihre Hunde auf Kunst-Tour

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„Pfoten weg“ ist hier kein Thema: Für die Hunde ist Ryan Ganders Arbeit „Escape Hatch To Culturefield“ eher ein Kletterspielgerät als eine Klanginstallation. Von rechts die Kunstbegleiter Per Busch und Martina Schäfers. © Schwarz

Kassel. Es ist eigentlich nicht üblich, dass die Teilnehmer einer Kunstführung einander namentlich vorgestellt werden. Bei Hundebesitzern gelten da andere Gepflogenheiten.

„Das ist die Mayra“, „sie hier heißt Erika“, auch Wuschel, Happy, Sanja, Peggy und weitere Vierbeiner freuen sich sichtlich auf ihren Kunst-Rundgang durch die Karlsaue. Davon künden aufgeregtes Gebell und konzentriertes Beschnuppern der neuen Rudelmitglieder.

Den Menschen – ein paar sind auch ohne Hund gekommen – erläutert Kunstbegleiterin Martina Schäfers die Idee des ungewöhnlichen Angebots: Mensch und Tier sollen gemeinsam, jeder nach seiner Natur, die documenta erkunden und Spaß an ihr haben. „Wir könnten auch Katzen oder Papageien mitnehmen“, sagt Schäfers. „Aber der Hund ist nun mal der engste Begleiter des Menschen.“ Deshalb lenkt die ausgebildete Hundetrainerin während der Tour auch die Aufmerksamkeit darauf, wie die Hunde auf bestimmte Objekte und Umgebungen reagieren.

Duftwolken und Leckerlis

„Hunde sind Nasentiere“, erklärt sie etwa an Song Dongs „Doing Nothing Garden“ und verstreut etwas Puder, um zu zeigen, dass der Eindruck der Pflanzenvielfalt auf dem Hügel vor allem als Geruchswolke bei den Vierbeinern ankommt. Die haben es sich hechelnd auf dem Rasen gemütlich gemacht, doch nun schnellen sämtliche Nasen und Ohren nach oben. Der Grund: Am Rand der Szenerie hat eine Teilnehmerin eine Dose mit Leckerlis hervorgekramt und wird sofort von acht sehnsüchtigen Augenpaaren fixiert. „Unser Hund ist halt ein Kunstbanause“, sagt Wuschels Herrchen Klaus Brandt.

Ein echter Kenner der documenta ist hingegen Per Busch – obwohl er die Kunstwerke nicht sehen kann. Der 43-Jährige ist der einzige blinde Kunstbegleiter, hat seinen Führhund Peggy dabei und teilt sich die Erläuterungsarbeit mit Martina Schäfers. „Ich bin der Beleg für die These, dass die Idee von Kunst hauptsächlich im Kopf entsteht“, sagt Busch. Immer wieder verblüfft er die Teilnehmer mit Nachfragen, ob ihnen dieses oder jenes Detail an einer bestimmten Arbeit aufgefallen sei. Und immer wieder bittet Busch um Beschreibungen, damit sich aus Besucherreaktionen sein eigener Eindruck eines Kunstwerks herausbildet. „Das ist ja das Schöne an der Kunst, dass jeder mit seinem eigenen Eindruck heimgehen kann“, sagt Busch.

Die Hunde wollen noch lange nicht nach Hause. An einer ruhigen Ecke im Park dürfen sie ausnahmsweise ohne Leine herumrasen, die Mutigen hechten zwecks Abkühlung beherzt in den Küchengraben. Auch die Welle von Massimo Bartolini würden sie sofort als Erfrischungsmöglichkeit nutzen, wenn man sie denn ließe. Auf Menschen „soll die ja sehr meditativ wirken“, hat sich Per Busch sagen lassen.

Jeder erlebt die Kunst halt auf seine Weise. Vom Schnupper-Treffen mit Pierre Huyghes Kunst-Hunden Human und Sen˜or sind menschliche und tierische Teilnehmer dann gleichermaßen begeistert, und gegen Ende der Führung sind die Zweibeiner in angeregte Kunstgespräche vertieft. „Unsere Hunde“, kommentiert Busch, „haben den Prozess der Rudelbildung längst hinter sich.“

Jeden Mittwoch Führungen mit Hunden

Die Führungen durch die Karlsaue für Besucher mit und ohne Hund heißen im documenta-Jargon „Multispezies-dTour“. Für Einzelbesucher werden sie jeden Mittwoch ab 17 Uhr angeboten. Die Tour dauert gut zwei Stunden, die Teilnahme kostet 16 Euro. Treffpunkt ist der documenta-Shop bei der Orangerie am Fuß der Gustav-Mahler-Treppe. Gruppen mit Hunden und bis zu 15 Menschen können einen Führungstermin täglich zwischen 10 und 18 Uhr frei vereinbaren. Anmeldung beim d13-Besucherservice, Tel. 0561/7072770. (asz)

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