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Nach Kritik an documenta: So umstritten ist das Bündnis gegen Antisemitismus

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Von: Matthias Lohr

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Blog des Bündnis gegen Antisemitismus Kassel
So präsentiert sich das Bündnis gegen Antisemitismus auf seinem Blog. © BGA/Screenshot

Mit seiner Kritik an der documenta hat das Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus (BGA) bundesweit Schlagzeilen gemacht. Aber wer steckt hinter der Gruppe?

Kassel – Vor zwei Wochen hätte Jonas Dörge nicht im Traum daran gedacht, dass die Feuilletons im ganzen Land über seinen Text schreiben würden. Mit seinen Mitstreitern vom Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus (BGA) hatte der 59-Jährige einen Text verfasst, in dem er den documenta-Leitern der indonesischen Gruppe Ruangrupa vorwarf, antisemitische Vorurteile zu bedienen. Ursprünglich hatte das BGA seine Vorwürfe nur an die HNA und Kasseler Politiker geschickt. Doch dann sorgte der Blog-Beitrag für den ersten Aufreger der bevorstehenden documenta in Kassel.

Für die Recherchen gab es Zustimmung, aber auch heftige Kritik. Die Süddeutsche Zeitung warf dem Bündnis einen „anti-islamischen Grundton“ vor, die Kasseler Linke erkannte in der Argumentation gar Rassismus. Der Historiker Ulrich Schneider von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sagt: „Dem Bündnis geht es darum, Menschen zu denunzieren, die die Besatzungspolitik Israels kritisch sehen. Der pauschale Vorwurf des Antisemitismus wird bei ihnen bewusst als Totschlagargument eingesetzt.“ Wer steckt also hinter dieser aus sechs Personen bestehenden Gruppe, die für viele umstritten ist?

Nach Vorwurf an documenta: Bündnis gegen Antisemitismus gehört laut Kritikern zu Antideutschen

Dörge engagierte sich früher in der DKP und war in der Kasseler Linken aktiv, ehe er sich kritisch mit dem Antisemitismus der Linken beschäftigte, wie er sagt. Sein Mitstreiter, der Ahnataler Stadtplaner Eckhard Jochum, sitzt heute noch als Parteiloser für die Linke im Zweckverband Raum Kassel.

Gegründet wurde das Bündnis 2009. Damals hatten Dörge und Co. am Rand einer Demo der Friedensbewegung und der islamistischen Organisation Millî Görüs ein Schild mit der Aufschrift „Israel will Frieden“ hochgehalten. Anschließend seien sie von Teilnehmern überfallen worden, sagt Dörge: „Das war ein Schlüsselerlebnis.“

Kritiker verorten das Bündnis bei den Antideutschen. So wird jene Strömung der politischen Linken genannt, die sich nach der deutschen Einheit abgespalten hat. Antideutsche wenden sich gegen jeden Nationalismus, außer den Nationalismus Israels, wie ein Kenner sagt.

documenta-Kritiker BGA: „Gegner der islamischen Religion, aber nicht im rassistischen Sinn“

Ganz oben im BGA-Blog steht der Slogan: „Kritik der israelischen Politik – Haltet das Maul!“ Dörge mag deutliche Worte. So sagt er: „Viele in der Friedensbewegung sind so verbohrt, dass man mit ihnen nicht diskutieren kann.“

Sich selbst nennt er einen „Gegner der islamischen Religion, aber nicht im rassistischen Sinn.“ Hauptkritikpunkte am Islam sind für ihn fehlende Freiheiten und Menschenrechte. Und Meron Mendel, den israelisch-deutschen Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Kassel und Frankfurt, nannte er einen „notorischen Antisemitismus-Leugner“. Mendel, für viele eine Stimme der Vernunft, hatte die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta zurückgewiesen.

Bündnis schon vor documenta-Vorwürfen aufgefallen: Isreal-Boykott-Bewegung im Zentrum der Kritik

In der Debatte, die das BGA losgetreten hat, geht es oft um die Israel-Boykott-Bewegung BDS („Boycott, Divestment, Sanctions“), die der Bundestag für antisemitisch erklärt hat. Darum kritisiert auch das BGA vermeintliche Sympathisanten der Bewegung – nicht nur bei der documenta. Vor drei Jahren protestierte das Bündnis beim Kasseler Friedensratschlag, wo die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann sprach. Der Vorwurf: Der renommierte Politikwissenschaftler Werner Ruf und andere Teilnehmer würden BDS unterstützen.

Nahost-Experte Ruf, der in Edermünde lebt, bestritt dies und sagte damals der HNA: „Bei dieser Gruppe kann man tun und lassen, was man will. Sie bauen sich einfach ihr Feindbild auf.“ In einem anderen Fall verlor das Bündnis gegen Ruf vor Gericht, nachdem es ihn „Verharmloser des Terrors“ genannt hatte. „Wir hatten das etwas flapsig und unsauber formuliert“, sagt Dörge. (Matthias Lohr)

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