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Die documenta wird die Antisemitismus-Vorwürfe nicht los

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Neuigkeiten im Straßenmagazin: Mitglieder von Ruangrupa und Vertreter der Obdachlosenzeitung „Asphalt“ am Ruruhaus in der Kasseler Innenstadt.
Neuigkeiten im Straßenmagazin: Mitglieder von Ruangrupa und Vertreter der Obdachlosenzeitung „Asphalt“ am Ruruhaus in der Kasseler Innenstadt. © Andreas Fischer

Wegen der Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta fordert der Zentralrat der Juden ein Expertengremium, das über die Kunst wacht. Wäre dies das Ende der Kunstfreiheit?

1977 eröffnete Hans Eichel als 35-jähriger Kasseler Oberbürgermeister die Pressekonferenz zur documenta 6 mit dem Hinweis, „dass die Aufgabe der Politiker allein darin bestehe, der Kunst einen Freiraum zu schaffen. Inhaltliche Entscheidungen stünden den Politikern hier nicht zu.“ Damals wurde heftig über die Beteiligung von Künstlern aus der DDR gestritten.

Nach 45 Jahren hat sich Eichel, der spätere hessische Ministerpräsident und Bundesfinanzminister, wieder zu Wort gemeldet, um die documenta vor der Einflussnahme durch die Politik zu schützen. Mit zweien seiner Nachfolger im Amt des Oberbürgermeisters warnte Eichel vor dem Versuch, „die künstlerische Freiheit des Kuratorenteams der d15 anzutasten und dafür den Aufsichtsrat zu instrumentalisieren“. Wer die Gesellschafter, Stadt Kassel und Land Hessen, auffordere, das künstlerische Konzept zu bewerten, lege die Axt an die Wurzeln der Schau: „Die Grenze der künstlerischen Freiheit ist ausschließlich das Recht, nicht die Politik.“

Was war passiert? Eine kleine Kasseler Gruppe, die sich etwas hochtrabend Bündnis gegen Antisemitismus (BgA) nennt, hatte aufgedeckt, dass einige Künstler, Kuratoren und Mitglieder der Findungskommission Sympathien für die BDS-Bewegung (für Boykott, Desinvestition und Sanktionen) hegen, die den wirtschaftlichen und kulturellen Boykott Israels fordert, und entsprechende Aufrufe unterschrieben haben.

Nun hat der Deutsche Bundestag die BDS-Kampagne mit großer Mehrheit als antisemitisch beurteilt. Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, hat diesem – international und in der Kulturszene umstrittenen – Beschluss nicht zugestimmt, weshalb vermutlich manche an die documenta adressierte Kritik vor allem auch die Grünen-Politikerin Roth meint. Sie jedenfalls schaltete sich ein, schlug ein Expertenforum vor, das die Vorwürfe aufarbeiten sollte. Dessen kurzfristige Absage und eine trotzige Erklärung der Kuratoren, die „konstruierte Vorwürfe“ und eine Vorverurteilung mit „rassistischen Zügen“ beklagen, brachten das Thema erneut in die Schlagzeilen.

Bislang wird es die documenta nicht los – auch weil der Springer-Verlag immer wieder nachlegt. „Die Welt“ diente zuletzt als Sprachrohr des Zentralrats der Juden, der forderte, ein „Expertengremium“ solle über die Kunst in Kassel wachen – das wäre genau die Einflussnahme, vor der Hans Eichel gewarnt hat. Wenn der Zentralrat kritisiert, es sei kein israelischer Künstler eingeladen, wäre es ein Leichtes, all die vielen Staaten aufzuzählen, die auch nicht in Kassel vertreten sind. Auf der Venedig-Biennale ist übrigens auch kein Künstler aus Israel dabei.

Zu den eingeladenen Kollektiven zählt aber die palästinensische Gruppe The Question of Funding um den Künstler Yazan Khalili, die im Khalil al Sakakini Cultural Center in Ramallah wurzelt. Der Namensgeber (1878-1953) war ein arabisch-christlicher Pädagoge und NS-Sympathisant. Wie sich The Question of Funding in Kassel vorstellt, darauf werden sich ab 18. Juni viele Blicke richten. (Mark-Christian von Busse)

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