Es war der Abschied vom Ballsaal - im Januar soll er abgerissen werden, nun gab der Saxofonist mit seiner Band dort noch einmal Vollgas.
Einige hundert Besucher bevölkerten am Freitagabend den unbestuhlten, einzigartigen Ballsaal des Hotels Reiss in Kassel, um den Funk-Stilisten Maceo Parker mit Band live zu erleben. Es sei das letzte Konzert an diesem Ort, hieß es, der mehrfach angekündigte Abriss des Saals soll nun bereits im Januar 2020 erfolgen.
Als Show-Bestandteil wurde das Septett von der eigenen Tüll-verschleierten Ansagerin auf die Bühne geholt – ein gelungener Appetithappen, der das Publikum im Nu auf Betriebstemperatur brachte. Der lederhäutige Maceo Parker und seine Band brettern mit in zahllosen Auftritten gestählter Professionalität ohnehin von Minute eins an los wie ein Rennmotor. „Make it funky“, Einwürfe aus „Papa’s Got A Brandnew Bag“ werden mit höchster Präzision und Schärfe gespielt, wobei der schwergewichtige Bassist Rodney Curtis mit unbewegter Miene pumpende Läufe kreiert, die den vielen Tänzerinnen vor der Bühne ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Drummer Pete MacLean platziert seine knochentrockenen Snare-Schläge dort, wo es richtig wehtut und den Groove dadurch unerbittlich nach vorn treibt. In fünf Minuten beweist er, dass man zu einem Schlagzeugsolo auch tanzen kann.
Maceo Parker spielt im Hotel Reiss in Kassel
Selbst mit 76 Jahren setzt Maceo Parker dem heißen Gebräu immer noch das Sahnehäubchen mit schneidenden, perkussiven Altsaxofonlinien auf – so, wie er es seit Jahrzehnten für James Brown, Bootsy Collins, Prince oder Keith Richards getan hat. Gelegentlich rappt er, scherzt mit seinen Fans oder greift in entspannten Phasen zur Querflöte.
Auch die exzellenten Will Boulware und Greg Boyer an Keyboards und Posaune erhalten große Solofreiräume. Die Band huldigt den Soul-Ikonen Ray Charles und Marvin Gaye mit „Let’s Get It On“. Darliene Parker darf bei „Stand By Me“ ihre Vokalkunst zeigen. Ein witziger optischer Gag ist das „frozen thing“: Nach dem letzten Ton eines Stückes verharren alle sieben Musiker sekundenlang wie eingefroren. Eine kostenlose Bewegungsnachhilfestunde nach Anleitung erhalten die Besucher ebenfalls noch.
Auf und vor der Bühne haben alle eine „funky good time“ und nach zwei Stunden verabschiedet sich Mr. Parker mit großem Dank vom begeisterten Publikum bis zum nächsten Mal.
Von Wolfgang Wollek