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Ein Gebäude zum Staunen: Kasseler Kunsthochschule bezieht neue Ausstellungshalle

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Von: Mark-Christian von Busse

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Martin Schmidl (von links), Anna Holzhauer und Professor Florian Slotawa stehen an einer Plastik von Yeonsu Lim im AUsstellungsraum der Kunsthochschule Kassel.
Froh über die neuen Ausstellungsmöglichkeiten: Rektor Martin Schmidl (von links), die künstlerische Mitarbeiterin Anna Holzhauer und Professor Florian Slotawa stehen an einer Plastik von Yeonsu Lim. © Andreas Fischer

„Routine gewinnen“, so ist die erste Schau betitelt, die in dieser Woche in der neuen Ausstellungshalle der Kasseler Kunsthochschule stattfindet.

Kassel – Noch aber kann von Routine keine Rede sein. Alles riecht ganz neu in dem Gebäude, das das Architekturbüro Innauer Matt aus Vorarlberg (Österreich) in den Innenhof des denkmalgeschützten Nordbaus von Paul Friedrich Posenenske an der Menzelstraße gesetzt hat. Und es riecht nach Holz.

Das ist ungewöhnlich: Holz dominiert auch das Erscheinungsbild des Gebäudes. Es bietet den jungen Künstlern und Designern, die hier künftig ausstellen werden, kein nüchtern-neutrales Ambiente, nicht den „white cube“ eines klassischen Museums mit seinen weißen Schuhschachtel-Wänden, sondern entfaltet selbst enorme Wirkung. Es hat gegenüber der Kunst keine ausschließlich dienende Funktion; diese wird sich hier behaupten müssen.

Die ersten, die sich der Aufgabe stellen, in einer Art Probelauf drei Monate vor der offiziellen Eröffnung, sind 20 Studierende der Klasse von Florian Slotawa, der an der Kunsthochschule die Professur für Skulptur innehat. Auch er spricht von einer „Herausforderung“, einen Raum zu bespielen, der auf den ersten Blick an ein Gemeinde- oder Kongresszentrum erinnern könnte: „Wir haben erst mal geschluckt.“ Auch in ihren Dimensionen muss die Halle von den Studierenden verinnerlicht und begriffen werden – hier jedoch können sie Arbeiten zeigen, für die im Atelier überhaupt kein Platz wäre.

Für Slotawa war es folgerichtig, sich als Erstes mit dem Raum selbst, den Ausmaßen, seinen Bedingungen und Möglichkeiten zu beschäftigen. Wie sind die Raumteiler nutzbar, die sogar im 90-Grad-Winkel verschiebbar sind und am Boden arretiert werden können? Wie kann man Gemälde hängen, wenn nur kleine Nägel, aber keine Schrauben erlaubt sind? Wie lassen sich die in die Decke eingelassenen Strahler einsetzen, die ein gleichmäßiges, warmes Licht spenden? Wie wirkt das Tageslicht aus Luken an den Seitenwänden, die an Bullaugen eines Schiffs erinnern? 16 Arbeiten, fast alle, sind eigens für diese allererste Ausstellung entstanden.

Kunstwerk: eine Säule aus Zuckerwatte von Consuelo Arevalo.
Eine Säule aus Zuckerwatte: Consuelo Arevalo nutzt die gesamte Höhe der neuen Kunsthalle. © Andreas Fischer

Marlies Lamberg hat einen Metallring zwischen zwei Holzelementen gespannt, der nur durch Angelschnüre gehalten wird. Das ist eine verblüffende Konstruktion, ein wunderbares Spiel mit Lichtreflektionen. Faszinierend die Säule, mit der Consuelo Arevalo die gesamte Raumhöhe ausnutzt: Sie besteht aus Zuckerwatte. Fabian Heller durchmisst fast die gesamte Halle mit einer Papierbahn von 27 Metern Länge: „all possible images“ zeigt eine Zahl mit 27 Millionen Stellen.

So viele verschiedene Bilder sind auf einem Full-HD-Bildschirm möglich. Franca Brockmann hat an den Fenstern umlaufend Text angebracht. „Wenn ich an aufgeregten Tagen an mich denke, denke ich an geschüttelte Cola im Sonnenschein ...“, heißt es da. Der schöne Titel: „Ich möchte eigentlich kein Softdrink sein.“

Andere Arbeiten thematisieren Corona. Seryun Yang hat in einem Einbau, einzusehen über eine Leiter, Dinge ihres Alltags angeordnet, die ihr in der Pandemie blieben oder wichtig waren: zurückgeworfen auf wenige Quadratmeter in einem Zimmer. Haesol Han hat alle Kartons aufgehoben und gestapelt, die ihr während des Lockdowns geliefert wurden; viele auch aus ihrer Heimat Korea. Es scheint, als sei die Mauer, die sie von der Welt trennte, immer höher und undurchdringlicher geworden.

Kunstwerk von Seryun Yang: Ein Raum, der die Lockdown-Situation thematisiert.
Raum im Raum: Seryun Yang thematisiert mit einem Einbau die Lockdown-Situation. © Andreas Fischer

Es wird interessant sein zu erleben, ob nach der vierten, fünften, sechsten Ausstellung in der neuen Kunsthalle, die jetzt noch staunen macht und Respekt einfordert, ein gewisser Gewöhnungseffekt eintritt – und welche Routinen sich im Umgang mit dem Gebäude einspielen werden. Für dessen Nutzung ist die Präsentation der Klasse Slotawa schon einmal ein erstes starkes Ausrufezeichen.

Bis Sonntag, 20. Februar, täglich 13 bis 19 Uhr, Performance am Samstag und Sonntag, 15 Uhr. Es gilt die 2G-Regel. kunsthochschulekassel.de

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