Die Mutter aller Herbergen

Am 27. Juni 1914 wurde auf Burg Altena im märkischen Sauerland die Einweihung der ersten ständigen Jugendherberge der Welt gefeiert. Sie sieht noch heute aus wie am ersten Tag. In den 1960er-Jahren wurde der Herbergsbetrieb eingestellt. Seitdem firmiert sie als „Museum Weltjugendherberge“.
Die sich etwa 100 Meter über der Stadt Altena erhebende Höhenburg gilt als eine der schönsten Deutschlands. Dass sie wie aus einem Guss wirkt, ist der Sanierung von 1907 bis 1915 zu verdanken. Im Inneren ließ Landrat Fritz Thomée eine Bauernstube und eine Wohnküche im Stil eines westfälischen Bauernhauses einrichten. Die gefielen auch dem Vater der Jugendherbergsidee: Der Altenaer Lehrer Richard Schirrmann (1874-1961) durfte dort die erste ständige Jugendherberge einrichten.
Eine steile Treppe führt hinab in die ehemaligen Schlafräume. Sie wirken düster. Breite Eichendielen knarren während des Rundgangs, der vorbei an Einzel-, Doppel- und Dreistockbetten aus massivem Eichenholz führt. Im Mädchenraum kann man sich auf zwei raschelnden Strohmatratzen ausstrecken.
Neben dem Aufenthaltsraum, der auch als Küche diente, befindet sich die Dokumentation zur Entstehung des Jugendherbergswerks. Dem Gründungsmythos zufolge geriet Schirrmann 1909 bei einer Wanderung mit seiner Schulklasse in ein Gewitter. Mit Mühe kam die Gruppe in einer Schule unter. In der Nacht hatte Schirrmann die Idee, Deutschland mit einem Netz von Jugendherbergen zu überziehen. Bis dahin gab es so etwas nur für wandernde Oberschüler und Studenten. Neu an Schirrmanns Konzept war: „Aufnahme finden alle anständigen Burschen und Mädel ohne Unterschied der Schulbildung, des Herkommens und der Konfession.“
Einen Tag nach der Einweihungsfeier der Jugendherberge auf Burg Altena ereignete sich am 28. Juni 1914 in Sarajewo das tödliche Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger, das den Ersten Weltkrieg nach sich zog. Schirrmann kämpfte als Freiwilliger an der Westfront und wurde zum Kriegsgegner. Das brachte ihn auf die Idee der Internationalisierung des Jugendherbergswerks.
Ein eisernes Schild von 1932 weist darauf hin, dass in diesem Zusammenhang die „Mutter aller Herbergen“ auf Burg Altena zur „Weltjugendherberge“ erhoben wurde. Es trägt die Aufschrift „Wandern von Volk zu Volk - Frieden“.
Die Nazis aber schalteten den Deutschen Jugendherbergsverband gleich, drängten Schirrmann aus der Organisation. Es dauerte noch, bis Frieden herrschte
Museum Weltjugendherberge, Burg Altena, Fritz-Thomée-Straße 80, Altena. Di.-Fr. 9.30-17 Uhr, Sa., So., feiertags 11-18 Uhr. Informationen: 02352-9667034, www.burg-altena.de
Von Veit-Mario Thiede