1. Startseite
  2. Kultur

Theater in Kassel: Das Kapital ist eine Bestie

Erstellt:

Von: Mark-Christian von Busse

Kommentare

Der Uraufführung des Stücks „Leere Stadt“ im Theater im Fridericianum in Kassel war eine umfangreiche Recherche vorausgegangen.

Kassel – Wie deren Ergebnisse am Freitagabend auf die Bühne gebracht wurden, hat das Premierenpublikum mit viel Beifall gewürdigt. Immobilien als Geldanlage, Entmietung, Leerstand, Wohnungslosigkeit – dazu ging das vom Staatstheater eingeladene freie Frankfurter Theaterkollektiv „andpartnersincrime“ in Kassel auf Spurensuche: bei der Heilsarmee, in Wohnprojekten und im Stadtteilladen.

Wissenschaftler der Universität um Gabu Heindl (Fachgebiet für Bauwirtschaft und Projektentwicklung) steuerten Fakten der Forschung bei. Michael Trammer und Raphael Knipping (Freelance Underground) nahmen neun lange Interviews auf. Was aber tun mit dieser Fülle an Material?

Investigative Recherche: Nika (Sandro Sutalo, links) und Max (Marius Bistritzky) arbeiten in „Leere Stadt“ an einem Film zu Leerstand und Wohnungsnot.
Investigative Recherche: Nika (Sandro Sutalo, links) und Max (Marius Bistritzky) arbeiten in „Leere Stadt“ an einem Film zu Leerstand und Wohnungsnot. © Thomas Müller

Theater in Kassel: Leiterin von andpartnersincrime“, hatte darauf eine ausgezeichnete Antwort

Eleonora Lela Herder (Regie, Text, Kostüme), künstlerische Leiterin von „andpartnersincrime“, hatte darauf eine ausgezeichnete Antwort. Sandro Sutalo und Marius Bistritzky spielen die Filmemacher Nika und Max, die in Jogginghosen und mit Bierflaschen in einem Studio mit dem Thema ringen, während sie den Film schneiden. Sie spielen einander Interviewpassagen vor, kommentieren die Aufnahmen, verknüpfen sie mit ergänzenden Informationen – kurzweilig und dicht.

Johanne Schröder hat auf der Bühne eine Arbeitsatmosphäre geschaffen, in der die Genervtheit spürbar wird, wenn es bei einem Projekt hakt und man sowieso zu lange aufeinander hockt, aber auch Euphorie, wenn sich der Stoff zu Erkenntnissen fügt – zum Beispiel denen, dass mit der Not von Wohnungslosen Kasse gemacht wird, dass Menschen weichen müssen, damit Investoren Profit erzielen: „Das Kapital bleibt hungrig“, heißt es einmal, „das Kapital ist eine Bestie“. Eine Mieterin, die aus ihrer Wohnung gedrängt wird, appelliert: „Wehrt euch, lasst euch nichts gefallen, schließt euch zusammen.“

Fesselnd ist, dass die „Investigative Performance“ allein von konkreten Kasseler Bauprojekten handelt, darunter den Plänen des Berliner Unternehmens Sector 7 für das Henschel-Areal im Stadtteil Rothenditmold. Beklemmend sind die Schilderungen der menschenunwürdigen Zustände in der Notunterkunft an der Wolfhager Straße, wo im Februar ein aus Algerien stammender Mann verbrannt ist. Seine Tochter Faowzia erfuhr davon aus der Zeitung. Sie versucht, auf sich selbst gestellt, die Puzzleteile zusammenzusetzen, wie es zu diesem Brand kommen konnte. Nicht nur das berührende Gespräch mit ihr macht die gut eineinhalb intensiven Stunden zu einer bitteren Anklage.

Wieder am 27. Mai, 20., 23., 24. Juni, 7. und 20. Juli, Karten unter Tel. 0561/1094-222, staatstheater-kassel.de

(Mark-christian Von Busse)

Auch interessant

Kommentare