TV-Comeback von Barbara Salesch: Anwalt über die wichtigsten Unterschiede zwischen Gerichtsshow und Realität

TV-Richterin Barbara Salesch geht wieder auf Sendung. Ihre Shows sind zwar weiter Fiktion, doch im Grundsatz ähneln sie einem echten Prozess, erklärt ein Rechtsanwalt.
Köln – Rund zehn Jahre war sie im Vorruhestand, jetzt kehrt Barbara Salesch mit 72 Jahren an die Stelle zurück ins Fernsehen, von der sie jahrelang nicht wegzudenken war – im Mittagsprogramm. Ab diesem Montag (5. September) läuft ihre Sendung, diesmal unter dem Namen „Barbara Salesch – Das Strafgericht“, von montags bis freitags um 11 Uhr auf RTL. Zehn Jahre keine Öffentlichkeit, das ist eine verdammt lange Zeit, die man Salesch optisch überhaupt nicht ansieht. So richtig weg war sie ja ohnehin nicht, dafür hat die ehemalige Richterin am Landgericht Hamburg zu viele schulfreie Nachmittage geprägt.
Vielleicht ist das der Grund, warum die Studenten von Michael Fuhlrott, Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg, noch heute erstaunt sind, wie zivilisiert es eigentlich in einem normalen Gericht zugeht. Jahrelang hatten TV-Gerichte den Nachmittag im deutschen Fernsehen fest im Griff. Für viele Erstsemester dürften Alexander Hold und Barbara Salesch das juristische Proseminar ersetzt haben. „Ich höre von meinen Studenten oft, dass es in der Realität ja ganz anders ist als bei Frau Salesch“, sagt Fuhlrott TZ.de von IPPEN.MEDIA.
Barbara Saleschs Gerichtsshow: „Die Verhandlungen sind relativ nahe an der Realität“
Fuhlrott arbeitet als Rechtsanwalt – und hat früher gerne Gerichtsshows geschaut. Heute ist er selbst rund einmal pro Woche vor Gericht. Das sei aber wesentlich grauer als die Shows, die er während Schulzeit und Jurastudium gerne gesehen hat. Er klingt fast ein bisschen enttäuscht, als er das am Telefon erzählt.
Mit Barbara Salesch verbindet Fuhlrott eine sehr persönliche Geschichte. Damals, als junger Student in Göttingen, erlebte er die TV-Richterin, als sie in einem Hörsaal ihre Gerichtsshow nachstellte. Für Fuhlrott, der nicht mehr als Laie zuschaute, sondern als angehender Jurist, war das ein Aha-Moment. „Mir ist damals schon aufgefallen, dass die Verhandlungen relativ nah an der Realität sind“, so Fuhlrott. „Das Prozedere ist in der Regel so, wie es nach der Strafprozessordnung auch in einem normalen Verfahren laufen würde.“ Erst wird die Anklage verlesen, dann gibt eine Beweisaufnahme, es folgen die Plädoyers und am Ende hat der Angeklagte das letzte Wort. Ein paar Details sind dennoch anders, die Fuhlrott aber nicht weiter stören: „Die Gesetze stehen immer falsch, mit dem Buchrücken zum Zuschauer. Eigentlich soll der Richter ja darauf zugreifen können.“
Wer schon einmal einen richtigen Gerichtsprozess gesehen hat, der wird schnell feststellen: Der Hauptunterschied ist ein anderer. Im TV ist – wie sollte es anders sein – ziemlich viel überzeichnet. Die Fälle? Spektakulärer geht es kaum. Die Beteiligten? Überzeichnet bis zur Karikatur. Der Verlauf? Eine dramatische Wendung gibt es mindestens. Es sind vor allem jene Elemente, die es in der Realität kaum gibt, sagt Fuhlrott.

Privatermittler, Zeugen aus dem Publikum: Gibt es das auch in echten Gerichtsverhandlungen?
In den Shows von Barbara Salesch war und ist es Teil des Drehbuchs, dass das Verfahren eine dramatische Wendung nimmt. Sehr beliebt: Der Zeuge, der wie aus dem Nichts alles aufklärt. Oftmals sitzt er zu Beginn einfach nur im Publikum. Ein realistisches Szenario? „Das habe ich noch nicht erlebt. Es kommt mal vor, dass die Verteidigung sagt, sie hätten gerne noch andere Zeugen gehört. Das wird dann aber im Vorfeld geklärt”, sagt Fuhlrott.
Ein weiteres Element, um die Verhandlungen zu dramatisieren: ein tränenreiches Geständnis, das wie aus dem Nichts kommt. „Das gibt es bestimmt mal, aber in der Regel verfolgt man als Verteidiger ja eine vorher ausgedachte Strategie. Plädiere ich auf ein geringes Strafmaß, bin aber geständig? Sage ich gar nichts?“ Dass man davon plötzlich abweicht, sei eher ungewöhnlich.
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Ebenso ungewöhnlich sei der Auftritt von Privatermittlern, die im letzten Moment alles aufklären. „Man würde dem Gericht vorab sagen, dass es noch einen wichtigen Zeugen oder einen Beweis gibt. Das erst während des Verfahrens zu offenbaren, ist zwar filmreif, ergibt aber keinen Sinn“, sagt Fuhlrott.
Salesch ist 2002 auf dem Höhepunkt: Marktanteil liegt über 30 Prozent
Zu Beginn der Gerichtsshow-Ära wurden den Zuschauern sogar echte Fälle präsentiert. Quotenmäßig ging das nach hinten los. Der Grund: Vor Gericht werden sehr oft Fachfragen verhandelt, die für den Laien nicht nachvollziehbar sind. „In den meisten Fällen steht der Täter vorher fest, zu 80 Prozent sind es sogar Wiederholungsfälle. Die Sachverhalte sind oft klar, es geht dann nur noch um die Höhe der Strafe“, so Fuhlrott. Nach kurzer Zeit setzten die Drehbuchschreiber dann voll auf fiktionale Fälle – mit Erfolg. 2002 erreichte „Richterin Barbara Salesch” einen Marktanteil von über 30 Prozent.
Bei allem Entertainment haben Gerichtsshows sogar eine pädagogische Note, sagt Fuhlrott. „Die TV-Shows waren durchaus bemüht, in mancher Sendung ein juristisches Problem zu erörtern. Zum Beispiel ist ein Beweismittel gefunden worden, weil jemand erpresst wurde. Das sind klassische Rechtsprobleme, die in Jura-Klausuren abgefragt werden.“
Rechtsanwalt: So erkennt man spannende Verhandlungen in der Realität
TV-Gerichtsshows als Werbung für den Jura-Fachkräftemangel? Nachmittagsshows gar als Bildungsfernsehen? Für Fuhlrott sei Frau Salesch zwar nicht der Grund gewesen, Jura zu studieren, aber um einen ersten Eindruck zu bekommen, seien die Sendungen gar nicht so schlecht. Noch interessanter als die Fiktion sei aber die Realität. „Ich habe mir als Student oft Prozesse angeschaut”, sagt Fuhlrott.
Sein Tipp, woran man spannende Fälle vorab erkennt: „Wenn man sich die Protokolle der Verfahren anschaut, sollte man darauf achten, ob Zeugen geladen sind. Dann wird mit großer Wahrscheinlichkeit nämlich der Frage nachgegangen: Was ist eigentlich passiert? In vielen Fällen ist das nämlich vorher schon klar – und dann kann es sehr dröge werden als Zuschauer.“ Bei Barbara Salesch ist das andersrum: Es wird alles getan, damit es ja nicht dröge wird – und trotzdem ist vorher alles klar.