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Barbara Schöneberger kritisiert Songauswahl beim ESC 2018

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"Countdown für Lissabon" auf dem Spielbudenplatz
Barbara Schöneberger fand die Songauswahl der letzten Jahre „süffiger“. © dpa / Markus Scholz

Die Israelin Netta gewinnt den ESC 2018 mit einem schrillen Auftritt. Viele der diesjährigen Beiträge waren „irgendwie verquer“ - findet zumindest Barbara Schöneberger.

Lissabon - In Lissabon regiert die Frauenpower. Zwei Sängerinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, liefern sich beim Finale des Eurovision Song Contest bis zur letzten Minute ein Kopf-an-Kopf-Rennen - wie schon zuvor bei den Buchmachern. Am Ende macht Netta aus Israel das Rennen. Ausgeflippt, bunt, ja schrill ist sie, und singt energisch gegen Männer an, die Frauen unterdrücken oder ausnutzen wollen. „I'm not your toy!“, lautet der Refrain ihres K-Pop-Songs (Ich bin nicht Dein Spielzeug) - aber als die 25-Jährige begreift, dass sie gegen Eleni Foureira aus Zypern das Rennen gemacht hat, kommen auch der Powerfrau die Tränen. Die andere, die feurige Foureira im Glitzer-Catsuit, die mit dem Dance-Popsong „Fuego“ die ESC-Bühne rockte, hat das Nachsehen.

Tel Aviv feiert

„Der Sieg bedeutet, dass wir die Unterschiede zwischen uns akzeptieren und Diversität zelebrieren“, jubelt die grell geschminkte Netta in ihrem pink-roten Outfit, mit dem sie mutig ihre Kurven zur Schau stellt. Ihr Song passt geradezu perfekt in die derzeitige #MeToo-Debatte. Später sagt sie: „Ich denke, dass Authentizität ganz wichtig ist.“ Die Fans können es kaum fassen: „Israel, Israel“, rufen sie immer wieder und schwenken ihre Nationalflagge. Und dann „Netta, Netta!“ Die „Eleni, Eleni“-Rufe verhallen hingegen.

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In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv feierten die Menschen in der Nacht zum Sonntag ausgelassen den Sieg ihrer Sängerin. Auf dem zentralen Rabin-Platz tanzten viele, schwenkten israelische Flaggen und sprangen in ein Wasserbecken. Auf den Straßen fuhren laut hupende Autos, aus denen der Song „Toy“ dröhnte.

Schulte überrascht alle

Bis zuletzt schien es, dass auch Michael Schulte mit seiner Ballade „You let me walk alone“ für Deutschland einen Platz ganz, ganz vorne holen könnte. Fast gelingt es: Der Sänger aus Norddeutschland, der in Buxtehude wohnt, wird Vierter, nur zwei Punkte hinter dem österreichischen Soul-Sänger Cesár Sampson, der - für viele überraschend - auf dem dritten Platz landet. Viele Zuschauer waren von der Performance des 28-jährigen Schulte begeistert, der in dem Lied von seinem verstorbenen Vater singt. Die aufblasbare Projektionswand im Hintergrund, auf die einzelne Worte seines Textes sowie Fotos von Vätern und Söhnen geworfen wurden, machte den Act zu einem der emotionalsten des ganzen Abends. Die Schmach der vergangenen Jahre mit letzten und vorletzten Plätzen ist für Deutschland vergessen.

„Ich habe keine Worte dafür“

"Ich habe keine Worte dafür", sagte der deutsche Starter am Sonntag in der ARD. "Das große Abenteuer geht wirklich mit einem Happy End für uns zu Ende."

Die besten Tweets des Abends

Schulte hofft auf eine Signalwirkung durch sein Abschneiden. In Deutschland sei die Stimmung nach dem schlechten Abschneiden der vergangenen Jahre dem Wettbewerb gegenüber negativ geworden, sagte er. "Ich hoffe, dass jetzt ein bisschen die Euphorie zurückkommt. Den Pessimismus haben wir jetzt hoffentlich weggeblasen."

„Songauswahl war nicht so süffig wie in den letzten Jahren“

Zumindest für deutsche ESC-Fans dürfte das Feiern bei den After-Show-Parties bestärkt durch das hervorragende Ergebnis von Michael Schulte deutlich ausgelassener ausgefallen sein als in den vergangenen Jahren. Auch Barbara Schöneberger konnte sich bei der zentralen Grand Prix Party in Hamburg merklich entspannter an die Arbeit machen: „Sonst standen wir hier bei Kälte, Regen und einem Punkt und jetzt das“, stellt sie zu Beginn erleichtert fest. Etwas zu bemängeln hatte die blonde Moderatorin allerdings und zwar die Songauswahl 2018: „Es war nicht so süffig wie in den letzten Jahren“, befand die Moderatorin, „in den letzten Jahren hatten wir mehr gute, kommerzielle Popmusik.“ Ganz anders sah das Peter Urban, die deutsche Stimme des ESC. Er erkannte in der Songauswahl 2018 einen guten Querschnitt durch alle populären Stile und keinen Qualitätsunterschied zu den vorangegangenen Wettbewerben. Um diese gute Qualität zumindest aus deutscher Sicht zukünftig beizubehalten, kündigte der in der ARD für den Musikwettbewerb verantwortliche Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber an, an dem bei der Kür Schultes gewählten Modell des Vorentscheids festzuhalten.

Schultes Lied "You let me walk alone" sei in einem Songwritercamp aus einer gemeinsamen Arbeit von Songwritern und dem Sänger entstanden. Damit sei bewusst wieder in den Mittelpunkt gestellt worden, dass der ESC ein Komponistenwettbewerb ist. "So wollen wir weiter machen." Es gehe nun darum, beim nächsten ESC eine ähnlich gute Platzierung zu erreichen.

Trauer in Bulgarien und Portugal

Während die einen feiern, herrscht bei anderen Trauer. Viele bulgarische Fans, die auf einen Sieg des Beitrags „Bones“ von Equinox gehofft hatten, brechen in Tränen aus, als ihr Land nur den 14. Platz belegt. Auch bei den zyprischen Fans wird es still. Gastgeber Portugal landet sogar auf dem letzten Platz. Einige Zuschauer, die in Anlehnung an den Look von Cláudia Pascoal pinkfarbene Perücken getragen hatten, ziehen sich bedrückt die Haarpracht vom Kopf.

Auch Slowenien wagt sich mit einer nicht alltäglichen Frisur auf die Bühne, Lea Sirk tanzt mit rosa-schwarz gefärbter Mähne auf der imposanten ESC-Bühne. Die dänischen Wikinger, die ungarischen Hardrocker, die Operndiva aus Estland mit XXL-Ballkleid samt Projektionsfläche, der freche Lausbub mit Hosenträgern und Rucksack aus Tschechien: Die Show hatte etwas für jeden Geschmack und vereinte die verschiedensten Musik- und Modestile.

Michael Schulte bei seiner Performance-
Michael Schulte bei seiner Performance- © AFP / FRANCISCO LEONG

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Wieder ein Flitzer

Auch einen Flitzer gab es wieder, leider keine Neuheit beim Song Contest. Dieses Mal traf es die Britin SuRie: Ein Mann entriss ihr das Mikro und brüllte kurz hinein, wurde aber schnell von Sicherheitsbeamten weggerissen und von der Bühne geführt. SuRie gewann schnell die Fassung wieder, bekam wieder ein Mikro in die Hand und sang ihren Song „Storm“ souverän zu Ende. „Ich bin total stolz auf sie, sie hat unter diesen schwierigen Umständen ganz toll performt“, meinte ein britischer Fan. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) bot der Sängerin sogar an, noch einmal aufzutreten, aber SuRie und ihr Team lehnten dies ab, „da sie extrem stolz auf ihren Auftritt“ seien. Am Ende landete die 29-Jährige auf dem drittletzten Platz - nämlich Rang 24 von 26.

Friedliches Fest mit toller Musik

Abgesehen von Siegern und Verlieren hat aber eine auf jeden Fall gewonnen am Samstagabend: Europa. Lissabon gelingt ein friedliches Fest unterschiedlichster Musik, eine farbenfrohe Mega-Party in einer der schönsten Städte Europas, mit Fans, die Flagge zeigen und sich ohne Konkurrenzdenken gegenseitig anfeuern. Eine Türkin, deren Land gar nicht dabei ist, applaudiert lautstark für den serbischen Beitrag, zyprische Fans plaudern mit Briten, ein Ire erklärt Michael Schulte zu seinem Liebling, israelische Fans sitzen mit Deutschen am Tisch.

Aber noch während des Wettbewerbs erreichen Nachrichten von einem Messerangriff im Zentrum von Paris die Altice Arena. Nach all den blutigen Anschlägen der vergangenen Jahre in so vielen Metropolen beweist Europa zur gleichen Zeit, dass es sich nicht unterkriegen lässt und keine Angst davor hat, weiter Mega-Events wie den ESC auszurichten. Die Italiener Ermal Meta und Fabrizio Moro haben das Eurovisions-Lebensgefühl mit ihrem Beitrag wohl am besten zusammengefasst: „Non mi avete fatto niente“: Ihr habt mir nichts antun können.

dpa

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